Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
habe ich mich allerdings nicht oft an diese Regel gehalten und wesentlicher länger als bis 2.30 Uhr (entsprechend dem 2,3 Meter-Teleskop) bei lauter Musik ausgeharrt. Schlafen kann man ja auch wieder zu Hause. Oft wurde ich sogar dafür belohnt. Denn ca. eine Stunde vor Sonnenaufgang, also gegen 4 Uhr morgens im australischen Sommer, klarte es häufig wieder auf. So war es mir dann doch noch möglich, fleißig weitere Sterne zu beobachten. Dieses Wettermuster habe ich mit der Zeit immer wieder am Siding Spring-Observatorium miterlebt. In einigen Fällen war dies sogar die einzige Stunde, in der ich während einer Nacht beobachten konnte.
Wenn man also stundenlang an seinem Teleskop sitzt und auf besseres Wetter wartet, hat man viel Zeit. Man kann arbeiten oder im Internet surfen oder in der Nase bohren. Außer den Kängurus gibt es ja nicht viel Unterhaltung. Wenn man alleine beobachtet, kann das schon ziemlich eintönig und die Nächte sehr lang werden. Wenn man zu zweit beobachtet, kann man sich wenigstens unterhalten. Gegen 3 Uhr morgens können solche Gespräche manchmal philosophischen Charakter annehmen. Mein Kollege kam mich also in dieser letzten, schlechten Nacht in meinem Teleskop besuchen, da ihm ebenfalls langweilig war. Wir beschwerten uns lautstark über das miese Wetter, bis mein Kollege feststellte, dass das Wetter nur deswegen plötzlich so schlecht geworden sei, weil jemand sein letztes Bier weggetrunken habe! Natürlich! Es konnte gar keinen anderen Grund geben! Kurz darauf stellten wir die Theorie auf, dass jeder gute Beobachter ein »Gutes-Wetter-Bier« zum Beobachten mitbringen müsse, welches erst in der letzten Nacht vom Beobachter selbst getrunken werden dürfe. Damit wäre gutes Wetter für die ganze Kampagne garantiert. Genauso wie es in unserem Fall war, bis das Wetter in der letzten Nacht aus unerklärlichen Gründen umschlug …
8.3. Der Sonnenuntergang
Im Sommer sind die Nächte kürzer. Das bedeutet weniger Stress, mehr Schlaf, aber auch weniger Beobachtungszeit. Es ist natürlich auch wärmer und angenehmer, sich draußen aufzuhalten und auch mal etwas Abendsonne zu tanken. Nach all dem geschäftigen Vorbereiten der Beobachtungen am Nachmittag und den letzten Tests bevor es dunkel wird, kommt immer ein ganz besonderer Moment. Er ist nur von kurzer Dauer und dennoch ungeheuer eindrücklich: der Sonnenuntergang. In Chile, am Las Campanas-Observatorium, treffen sich die Beobachter und das Personal der verschiedenen Teleskope, sofern diese direkt nebeneinanderliegen, um den Lauf der untergehenden Sonne zu betrachten. Kurz bevor die Sonne den Horizont berührt, merkt man schon deutlich, dass es kühler wird, und oft frischt auch der Wind etwas auf. Man steht also draußen, z.B. auf dem Catwalk an der Seite des Teleskopgebäudes. Man beobachtet still, wie anmutig sich der Tag in die Nacht verwandelt. Da die meisten Teleskope auf Bergen stehen, ist die Sicht immer sehr weitläufig und einfach atemberaubend. Besonders wenn sich die ganze Welt langsam, aber sicher erst in gelbes, dann orangefarbenes und schließlich rotes Licht einfärbt. Die Schatten werden immer länger und länger, und die Welt versinkt allmählich. In diesem Moment ist jeder von uns ein echter Beobachter. Ein Beobachter der Sonne, der Welt und seiner selbst. Denn es ist ein kurzer Augenblick, in dem es einem so vorkommt, als ob die Welt stehenbliebe. Alles ist ruhig und so friedvoll um einen herum. Man hat Zeit, einen tiefen Atemzug zu nehmen und die sanfte Macht der Natur um einen herum zu genießen. Man ist ein Teil der Natur, und auf einmal ist man selbst gar nicht mehr wichtig. Man ist in vollem Einklang mit seiner Umgebung. Die Bewunderung, die ich in diesem kurzen Augenblick empfinden kann, macht alle Anstrengungen wie z.B. die der Reisen und der langen Arbeitsnächte schnell wieder wett.
Kurz bevor die Sonne jedoch ganz verschwindet und wenn nur noch das letzte obere Stückchen der Sonnenscheibe über dem Horizont zu sehen ist, kann man mit etwas Glück einen sogenannten »Grünen Flash« sehen. Wie in Abbildung 8.D im Farbbildteil zu sehen ist, wird dann das kleine, glitzernde gelbe Sonnenpünktchen über dem Horizont für den Bruchteil einer Sekunde leuchtend grün. Es sieht dabei so aus, als ob ein grüner Diamant kurzzeitig aufblitzt. Als Dankeschön quasi, dass man die Mühe auf sich genommen hat, diesen Sonnenuntergang anzuschauen. Leider ist dieser Dank recht selten, denn der Grüne Flash ist nur
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