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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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ich gebe dir sogar die Erlaubnis, einen Bissen zu dir zu nehmen, wenn du hungrig bist.«
    »Bitte, Monsieur Vallenères, spielen Sie Tochter des Hauses«, wandte sich Madame de Villeparisis sodann zu dem Archivar mit einem traditionell gewordenen Scherz.
    Während sein Zylinder neben ihm auf dem Teppich deponiert war, richtete sich Monsieur de Guermantes in dem Fauteuil, in den er sich hatte sinken lassen, wieder auf und begutachtete mit befriedigtem Blick die Teller mit Petits fours, die ihm angeboten wurden.
    »Aber gern, jetzt, wo ich anfange, mich in dieser vornehmen Versammlung heimisch zu fühlen, nehme ich gerne ein Baba, sie sehen ausgezeichnet aus.«
    »Monsieur spielt aber die Rolle der Haustochter ganz vorzüglich«, nahm d’Argencourt aus Nachahmungstrieb den Scherz der Marquise noch einmal auf.
    Der Archivar präsentierte den Teller mit den Petits fours dem Historiker der Fronde.
    »Sie machen das aber ganz vorzüglich«, wiederholte dieser aus Schüchternheit und in dem Bemühen, das Wohlwollen der Anwesenden zu erringen.
    Deshalb warf er auch verstohlen denen, die schon das gleiche wie er bemerkt hatten, einen Blick des Einverständnisses zu.
    »Sagen Sie mir, meine liebe Tante«, fragte Monsieur de Guermantes Madame de Villeparisis, »wer war denn der ganz gut aussehende Herr, der gerade ging, als ich kam? Offenbar kenne ich ihn, denn er grüßte mich aufwendig, aber ich ihn nicht; Sie wissen ja, Namen sind nicht meine Stärke, sehr unangenehm für mich«, setzte er mit einer Miene der Genugtuung hinzu.
    »Monsieur Legrandin.«
    »Aha! Oriane hat doch eine Kusine, deren Mutter, wenn ich nicht irre, eine geborene Grandin ist. Jaja, ich weiß genau, das sind Grandin de l’Éprevier.«
    »Nein«, antwortete Madame de Villeparisis, »mit denen hat es nichts zu tun. Diese hier sind einfach Grandin, Grandin von und zu gar nichts. Aber sie wären es noch so gerne von allem möglichen. Die Schwester von diesem heißt Madame de Cambremer.«
    »Aber bitte, Basin, Sie wissen doch, wen die Tante meint«, rief die Herzogin entrüstet. »Er ist der Bruder von diesem riesigen Huftier, das Sie neulich aus einer seltsamen Laune heraus zu mir auf Besuch geschickt haben. Es ist eine Stunde lang geblieben, ich dachte, ich werde verrückt. Doch schwante es mir bereits, daß es sie sein mußte, die es war, als ich eine Person hereinkommen sah, die ich nicht kannte und die wie eine Kuh aussah.«
    »Hören Sie, Oriane, sie hatte mich nach Ihrem Empfangstag gefragt; ich konnte ja nicht direkt grob zu ihr sein, und bitte schön«, setzte er in kläglichem Ton hinzu, nicht ohne verstohlen einen lächelnden Blick in die Versammlung zu werfen, »übertreiben Sie nicht, wie eine Kuh sieht sie nicht aus.«
    Er wußte, daß die Verve seiner Frau sich gerne durch Widerspruch anregen ließ, den Widerspruch des gesunden Menschenverstandes, der sich zum Beispiel dagegen richtet, daß man eine Frau mit einer Kuh verwechselt (auf diese Weise, indem sie ein erstes Bild noch überbot, waren Madame de Guermantes oft ihre besten Aussprüche gelungen). Und der Herzog, ohne es sich anmerken zu lassen, war immer ganz unschuldig zur Stelle, um ihr zum Gelingen ihres Tricks behilflich zu sein, so wie es in einem Eisenbahnabteil der heimliche Komplize eines Kümmelblättchenspielers tut.
    »Ich gebe ja zu, sie sieht nicht aus wie eine Kuh, sondern wie mehrere Kühe«, rief Madame de Guermantes.»Ich schwöre Ihnen, ich war in größter Verlegenheit, als ich diese Kuhherde im Hut in meinen Salon treten und sich nach meinem Ergehen erkundigen sah. Einerseits hätte ich am liebsten geantwortet: ›Liebe Kuhherde, du mußt dich täuschen, du kannst doch mit mir keinen Umgang haben, wo du doch eine Kuhherde bist‹, andererseits habe ich schließlich, als ich in meinem Gedächtnis herumsuchte, angenommen, Eure Cambremer sei die Infantin Dorothea, die einmal vorbeikommen wollte und auch einiges vom Rind hat, so daß ich beinahe Königliche Hoheit zu einer Kuhherde gesagt und in der dritten Person zu ihr gesprochen hätte. Sie trägt auch eine Art von Wampe vor sich her wie die Königin von Schweden. Im übrigen war dieser Sturmangriff nach allen Regeln der Kunst durch Artilleriebeschuß vorbereitet. Endlos lange vorher schon hatte sie mich mit ihren Karten bombardiert, ich fand sie überall, auf allen Möbeln, wie Prospekte. Ich wußte gar nicht, was diese Reklame bedeuten sollte. Man stieß bei mir überall auf ›Marquis und Marquise de Cambremer‹

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