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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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Guermantes sich mir zu.
    »Guten Tag, wie geht es Ihnen?« fragte sie.
    Sie ließ das Licht ihres blauen Blicks auf mich niederfallen, zögerte einen Augenblick, entrollte den Stengel ihres Arms, um ihn auszustrecken, und neigte ihrenKörper, der gleich wieder in die aufrechte Stellung zurückschnellte wie ein Strauch, den man niedergebogen hat und der, wenn man ihn losläßt, in seine natürliche Lage zurückkehrt. So verhielt sie sich unter dem Blitzen der Blicke Saint-Loups, der sie beobachtete und aus der Distanz verzweifelte Versuche machte, um von seiner Tante noch etwas mehr zu erreichen. Da er befürchtete, die Unterhaltung werde stocken, trat er hinzu, um ihr Stoff zu geben, und antwortete für mich:
    »Es geht ihm nicht besonders gut, er ist etwas abgespannt; im übrigen ginge es ihm vielleicht besser, wenn er dich öfter sähe, denn ich möchte dir nicht verhehlen, daß er dich sehr gern sieht.«
    »Ach! Das ist aber liebenswürdig«, sagte Madame de Guermantes in gewollt banalem Ton, als habe ich ihr ihren Mantel gereicht. »Ich fühle mich sehr geschmeichelt.«
    »Höre, ich gehe einen Augenblick zu meiner Mutter, ich überlasse dir meinen Platz«, sagte Saint-Loup zu mir und zwang mich dadurch, mich neben seine Tante zu setzen.
    Wir schwiegen alle beide.
    »Ich sehe Sie manchmal am Vormittag«, sagte sie zu mir, als teile sie mir dadurch etwas Neues mit und als sähe ich sie bei dieser Gelegenheit selbst nicht. »Das ist sehr gut für die Gesundheit.«
    »Oriane«, sagte halblaut Madame de Marsantes, »Sie meinten doch, Sie würden Madame de Saint-Ferréol einen Besuch abstatten, wären Sie da wohl so nett, ihr auszurichten, daß sie mich zum Diner nicht erwarten soll? Ich möchte zu Hause bleiben, wo ich doch Robert hier habe. Ich weiß nicht, ob ich Sie bitten dürfte, im Vorbeifahren auszurichten, man solle sofort die Zigarren besorgen, die Robert so gern raucht, sie heißen ›Corona‹, es sind keine mehr da.«
    Robert trat heran; er hatte nur den Namen Madame de Saint-Ferréol gehört.
    »Wer ist denn das schon wieder, Madame de Saint-Ferréol?« fragte er in scharfem, gleichzeitig verwundertem Ton, denn er tat gern so, als sei ihm alles unbekannt, was die Gesellschaft betraf.
    »Aber, Liebling, das weißt du doch«, sagte seine Mutter, »sie ist die Schwester von Vermandois; sie hatte dir das schöne Billard geschenkt, das du so mochtest.«
    »Wie, das ist die Schwester von Vermandois? Davon hatte ich keine Ahnung. Ach! meine Familie ist großartig«, fuhr er halb zu mir gewendet fort, wobei er, ohne es zu merken, Blochs Tonfall übernahm, wie er sich auch seiner Ideen bediente, »sie steht mit unerhörten Leuten in Verbindung, die alle mehr oder weniger Saint-Ferréol heißen« (und er betonte bei jedem Wort die Schlußkonsonanten); »sie geht zu Bällen und fährt in Equipagen und führt eine ganz fabelhafte Existenz. Es ist kaum zu glauben.«
    Madame de Guermantes ließ in der Kehle das leichte, kurze und unüberhörbare Geräusch wie jenes eines erzwungenen Lächelns, das man unterdrückt, vernehmen, um damit zu zeigen, daß sie, soweit sie durch die Verwandtschaft dazu verpflichtet war, am Esprit ihres Neffen Anteil nahm. Ein Diener meldete, der Fürst von Faffenheim-Münsterburg-Weinigen lasse Monsieur de Norpois ausrichten, er sei da.
    »Holen Sie ihn doch herein, Monsieur«, sagte Madame de Villeparisis zu dem ehemaligen Botschafter, der dem deutschen Premierminister entgegenging.
    Doch die Marquise rief ihn zurück:
    »Warten Sie, Monsieur: Soll ich ihm die Miniatur der Kaiserin Charlotte 1 zeigen?«
    »Oh! Ich nehme an, er wird entzückt sein«, sagte der Botschafter im Tone tiefer Ergriffenheit und so, alsbeneide er den glücklichen Minister um die Gunst, die ihn erwartete.
    »Oh! Bei ihm weiß ich, daß er loyal ist«, sagte Madame de Marsantes, »das ist bei Ausländern eine Seltenheit. Aber ich bin informiert. Er ist der Antisemitismus in Person.«
    Der Name des Fürsten bewahrte in der Freimütigkeit, mit der seine ersten Silben – wie man in der Sprache der Musik sagt – einsetzten, und in der stammelnden Wiederholung, die sie skandierte, den Schwung, die manierierte Naivität und die schwerfälligen germanischen »Feinheiten«, die sich wie grünliches Astwerk auf dem dunkelblauen Email von »Heim« abzeichneten, wobei dieses den Mystizismus eines rheinischen Kirchenfensters hinter den blaßgoldenen, feinen Ziselierungen des deutschen achtzehnten Jahrhunderts entfaltete. Dieser

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