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Auf doppelter Spur

Auf doppelter Spur

Titel: Auf doppelter Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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recht nettes, alltägliches Wohnzimmer – für den heutigen Geschmack etwas zu vollgestellt. Das einzige Bemerkenswerte daran war die Fülle von Uhren: in der Ecke tickte eine Großvateruhr, auf dem Kamin eine Dresdner Porzellanuhr, auf dem Schreibtisch eine silberne Wagenuhr; irgendwo beim Kamin machte sich eine kleine vergoldete Uhr bemerkbar und auf einem Tisch am Fenster ein verblichener Lederreisewecker, auf dem in abgegriffenen goldenen Buchstaben ROSEMARY stand.
    Sheila Webb sah etwas überrascht auf diesen Wecker. Er zeigte dreizehn Minuten nach vier. Ihr Blick wanderte zu der Kaminuhr. Dieselbe Zeit. Sie fuhr heftig zusammen, als über ihrem Kopf ein Kuckuck aus seiner kleinen Tür hüpfte und energisch »Kuckuck, Kuckuck, Kuckuck!« schrie. Der harte Ton klang fast drohend. Der Kuckuck verschwand wieder. Sheila Webb lächelte ein wenig, ging um das Sofa herum und blieb wie angewurzelt stehen.
    Auf dem Boden ausgestreckt lag der Körper eines Mannes. Seine gebrochenen Augen waren halb geöffnet. Vorn auf seinem dunkelgrauen Anzug war ein dunkler, feuchter Fleck. Fast mechanisch beugte sich Sheila über ihn. Sie berührte seine Wange – kalt – seine Hand – ebenfalls… Sie berührte den feuchten Fleck, zog die Hand aber rasch zurück und starrte voller Entsetzen darauf.
    Im selben Augenblick hörte sie draußen das Klappen einer Pforte, und ihr Kopf wandte sich unwillkürlich dem Fenster zu. Sie sah eine Frau rasch den Weg entlangkommen. Sheila schluckte, ohne es zu merken – ihre Kehle war trocken. Wie angewachsen stand sie auf der Stelle, unfähig sich zu rühren, zu schreien… starrte nur vor sich hin.
    Die Tür öffnete sich und eine große, ältere Dame trat ein; sie trug einen Einkaufskorb. Ihr weniges Haar war aus dem Gesicht gekämmt, und ihre Augen waren sehr groß und von einem wunderschönen Blau. Ihr Blick glitt über Sheila, ohne sie zu sehen.
    Sheila gab einen leisen Laut von sich, nicht mehr als ein Räuspern. Die großen blauen Augen richteten sich auf sie, und die Dame fragte scharf: »Ist da jemand?«
    »Ich – ich bin…«
    Das Mädchen hielt inne, als die Frau schnell um das Sofa herum auf sie zuging.
    Und dann schrie sie.
    »Nicht doch… nicht… Sie treten auf es… auf ihn… Und er ist tot…«

2
     
    C olin Lambs Bericht
    Um im Polizeijargon zu sprechen: um 14.59 am 9. September ging ich in westlicher Richtung Wilbraham Crescent entlang – zum ersten Mal, und ich war verblüfft.
    Ich war einer fixen Idee mit einer Hartnäckigkeit nachgegangen, die von Tag zu Tag verbissener wurde, je weniger erfolgversprechend sie schien. Ich bin eben so.
    Ich suchte Nr. 61 – und fand das Haus nicht. Geduldig war ich von 1 bis 28 gegangen, und dort schien Wilbraham Crescent zu enden. So ging ich zurück und blickte auf die Nummern: 24, 23, 22, 21, Diana Lodge (vermutlich 20), 19…
    Die Tür von Nr. 19 öffnete sich, und wie ein Geschoss sauste ein Mädchen heraus, den Weg entlang. Die Ähnlichkeit mit einem Geschoss wurde noch durch seine hohen, dünnen und kaum menschlichen Schreie unterstrichen.
    Das Mädchen raste durch die Pforte – stieß mit einer Wucht mit mir zusammen, die mich fast umgeworfen hätte, und klammerte sich dann verzweifelt an mich.
    »Ruhig«, sagte ich, als ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Ich schüttelte es leicht. »Nur ruhig.«
    Das Mädchen beruhigte sich. Es hielt sich immer noch an mir fest, hörte aber auf zu schreien. Statt dessen keuchte es schluchzend.
    »Da drin!« Sie zeigte hinter sich.
    »Ja?«
    »Da liegt ein Mann auf dem Boden… tot… Sie wollte auf ihn treten.«
    »Wer? Warum?«
    »Ich glaube… weil sie blind ist. Und Blut ist an ihm.« Sie blickte nach unten und lockerte eine Hand. »Und an mir. An mir ist Blut!«
    »Ja«, bestätigte ich. Ich entdeckte die Flecken auf meinem Mantelärmel. »Und jetzt auch an mir.« Ich seufzte und dachte über die Situation nach. »Am besten kommen Sie mit mir hinein und zeigen es mir«, sagte ich.
    »Ich kann nicht – ich kann nicht… Dort hinein gehe ich nicht mehr!«
    »Vielleicht haben Sie Recht.« Ich sah mich um. Es schien nirgends einen geeigneten Platz zu geben, an dem man ein fast ohnmächtiges Mädchen deponieren konnte. Ich ließ es behutsam auf den Bürgersteig gleiten, sodass es mit dem Rücken gegen das eiserne Geländer lehnte.
    »Sie bleiben hier, bis ich zurückkomme. Es wird nicht lange dauern.«
    Ich klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und ging forschen Schrittes den Weg

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