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Auf doppelter Spur

Auf doppelter Spur

Titel: Auf doppelter Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht verkohlen?«
    »Ich gebe zu, dass es fantastisch klingt. Aber die Tatsachen scheinen zu stimmen. Die blinde Frau ist Miss Millicent Pebmarsh; das Haus gehört ihr.«
    »Und trat sie wirklich auf dem toten Mann herum?«
    »Nicht so, wie du denkst. Da sie blind ist, wusste sie nicht, dass er dort lag.«
    »Ich werde den Apparat in Bewegung setzen. Warte dort auf mich. Was ist mit dem Mädchen?«
    »Miss Pebmarsh macht ihm eine Tasse Tee.«

3
     
    I n Wilbraham Crescent gingen der Polizeiarzt, der Polizeifotograf und die Fingerabdruckexperten ihren jeweiligen Aufgaben nach. Zu guter Letzt erschien auch Inspektor Hardcastle, ein großer Mann mit einem Pokergesicht und eindrucksvollen Augenbrauen. Er warf einen prüfenden Blick auf die Leiche, wechselte ein paar Worte mit dem Arzt und ging dann ins Esszimmer, wo drei Leute vor leeren Teetassen saßen: Miss Pebmarsh, Colin Lamb und ein Mädchen mit braunem, lockigem Haar und ängstlichen Augen.
    »Recht nett«, dachte der Inspektor.
    Er stellte sich Miss Pebmarsh vor. Er wusste einiges über sie, obwohl sich ihre Wege beruflich nie gekreuzt hatten. Er kannte sie vom Sehen, wusste, dass sie früher Lehrerin gewesen war und jetzt einen Posten am Aaronberg-Institut für behinderte Kinder hatte. Sie unterrichtete blinde Kinder im Lesen der Brailleschrift.
    »Eine scheußliche Sache, die da passiert ist, Miss Pebmarsh«, sagte er. »Es muss ein großer Schock für Sie gewesen sein. Ich brauche von Ihnen allen eine genaue Aussage. Meines Wissens war es Miss« – er sah schnell auf einen Notizblock, den ihm der Polizist gegeben hatte – »Sheila Webb, die die Leiche entdeckte. Wenn ich Ihre Küche benützen dürfte, Miss Pebmarsh, würde ich mit Miss Webb dort hingehen, um ungestört zu sein.«
    Ein junger Detektiv war schon in der Küche und machte sich unauffällig Notizen. Sheila Webb setzte sich nervös hin und blickte Hardcastle mit großen, erschrockenen Augen an. Er sagte beruhigend: »Kein Grund zur Sorge. Wir wollen nur ein klares Bild gewinnen. Ihr Name ist Sheila Webb – und Ihre Adresse?«
    »Palmerstone Road Nr. 14 – hinter der Gasanstalt.«
    »Und Sie sind Angestellte, nehme ich an?«
    »Ja – Stenotypistin… ich arbeite in Miss Martindales Schreibbüro.«
    »Das Cavendish-Sekretariats- und Schreibbüro – so lautet wohl der volle Name, nicht wahr? Wie lange arbeiten Sie schon dort?«
    »Etwa ein Jahr. Nein, genau zehn Monate.«
    »So. Nun erzählen Sie mal mit Ihren eigenen Worten, warum Sie heute hier in Wilbraham Crescent Nr. 19 waren.«
    »Ja, das war so.« Sheila Webb sprach jetzt zuversichtlicher. »Diese Miss Pebmarsh rief im Büro an und bestellte für drei Uhr eine Stenotypistin. Deswegen sagte mir Miss Martindale, als ich vom Essen zurückkam, ich solle hierher gehen.«
    »Das war ganz normal, nicht? Ich meine – Sie waren die nächste auf der Liste… oder wie das organisiert wird.«
    »Nicht ganz. Miss Pebmarsh forderte ausdrücklich mich an.«
    »So.« Hardcastles Augenbrauen registrierten diesen Punkt. »So… weil Sie früher schon mal für sie gearbeitet hatten?«
    »Aber nein«, sagte Sheila schnell. »Das weiß ich genau. Sie ist kein Mensch, den man vergessen würde. Das ist ja das Merkwürdige an der Sache.«
    »Eben. Doch darüber wollen wir im Moment nicht sprechen. Wann kamen Sie hier an?«
    »Es muss kurz vor drei Uhr gewesen sein, denn die Kuckucksuhr…« Sie hielt plötzlich inne. Ihre Augen weiteten sich. »Wie seltsam. Wirklich sehr seltsam. Vorhin habe ich gar nicht darauf geachtet.«
    »Worauf achteten Sie nicht, Miss Webb?«
    »Nun – die Uhren. Die Kuckucksuhr schlug ganz richtig drei Uhr, aber die anderen Uhren gingen alle mehr als eine Stunde vor. Wie seltsam!«
    »Das ist wirklich merkwürdig«, pflichtete der Inspektor ihr bei. »Wann haben Sie die Leiche zuerst bemerkt?«
    »Erst, als ich hinter das Sofa ging. Und da – da lag er. Es war schrecklich, einfach schrecklich…«
    »Das glaube ich Ihnen. Kannten Sie den Mann? War es jemand, den Sie schon mal gesehen hatten?«
    »O nein}-«
    »Wissen Sie das genau? Er hätte anders aussehen können als sonst, verstehen Sie. Denken Sie genau nach. Sie haben ihn bestimmt nie zuvor gesehen?«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Gut. Und was machten Sie daraufhin?«
    »Was ich machte? Nun… nichts… überhaupt nichts. Ich konnte nicht.«
    »So. Sie haben ihn nicht angerührt?«
    »Doch – doch. Um zu sehen – ich meine – nur um zu sehen… Aber er war – ganz kalt –

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