Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
Christian gerne, wenn diese ihm beispielsweise Vorwürfe machen. Dann lächelt er sie einfach freundlich an und erwidert mit ruhiger Stimme etwas, das sie noch wütender macht. Die meisten Menschen, die sich auf diese Weise mit ihm anlegen, gehen bald: sprachlos, wütend und verwirrt.
Manchmal macht es ihm auch Spaß, anderen Angst einzujagen. Ein Mädchen, mit dem er ausging, wollte ihn scherzhaft herausfordern und sagte: »Du glaubst also, man kann Menschen mit jedem beliebigen Gegenstand foltern? Wenn ich dich auffordere, mich mit einem Wattebausch zu foltern, wie würdest du das anstellen?« Mit seinem freundlichen Lächeln und seiner sanften Stimme erwiderte er: »Ich würde dich nackt fesseln, den Wattebausch in Benzin tunken und ihn auf deinem Bauch anzünden.« Das Mädchen ging nie wieder mit ihm aus, was Christian dieser »Spaß« aber wert war.
Meistens setzt Christian seine positive Ausstrahlung aber ein, um einen angenehmen Eindruck zu machen und damit zu erreichen, was er gerade möchte. Bei Polizeikontrollen gelang es ihm so, niedrigere Strafen für Verkehrssünden auszuhandeln oder auch einen Bluttest zu umgehen. Den Test fürchtete er nicht wegen des Ergebnisses – Christian hat noch nie Drogen genommen und trinkt auch nur selten Alkohol –, sondern wegen der Spritze. Er hasst es, sich Blut abnehmen zu lassen, weil das für ihn ein »Kontrollverlust« ist.
Einige kriminelle Psychopathen, die durch ihre Verbrechen bekannt wurden, nutzen ihr Lächeln ebenso gezielt wie meine Interviewpartner. Ted Bundy war der erste »Superstar« unter den Serienmördern. Bis heute hat er »Fans« auf der ganzen Welt. Unzählige Frauen verliebten sich in ihn – auch nachdem er als sadistischer Frauenmörder angeklagt und verurteilt wurde. Bundy gab gerne Interviews, stellte sich wie ein Filmstar vor laufende Kameras und wurde berühmt wegen seines überzeugenden, freundlichen Lächelns. Mit diesem Lächeln brachte er auch viele seiner Opfer dazu, ihn zu begleiten.
Typisch psychopathisch Teil 4:
»Sex ist Liebe«
Meine mittelgradig psychopathischen Interviewpartner finden es durchweg besonders schwierig, das Wort »Liebe« wirklich zu verstehen. Auch stark ausgeprägte Psychopathen sagen manchmal, sie hätten jemanden geliebt, wenn sie sich eigentlich nur stark sexuell erregt fühlten. Einer meiner Interviewpartner erzählte, dass er seiner Partnerin durchaus sage, dass er sie liebe. Dabei bedeutet »Liebe« für ihn aber eigentlich »Freundschaft mit Sex«. Falls normale Menschen unter dem Wort »Liebe« etwas anderes verstehen, sagt er, kann er sich dieses Gefühl nicht wirklich vorstellen.
Ein anderer Interviewpartner erklärte es so: »Irgendwann habe ich kapiert, dass Mädchen, mit denen ich zusammen bin, das von mir erwarten. Sie wollen hören, dass ich sie liebe. Ich habe das also in einigen Beziehungen gesagt, damit sie zufrieden waren und weil ich sie mochte. Wirklich verstehen, was Liebe genau sein soll, kann ich nicht.« Mit diesem Verständnisproblem befindet er sich in »bester« Gesellschaft, da auch Prinz Charles beim Fernsehinterview anlässlich seiner Verlobung mit Diana Spencer auf ihre Aussage »Ich liebe ihn« ergänzte: »Was auch immer Liebe bedeutet.«
Als ich diesen Interviewpartner fragte, ob er jemals etwas anderes als sexuelles Begehren für eine Frau empfand, sagte er: »So ungefähr die ersten drei Monate hab ich mehr Lust, dieselbe Frau häufiger zu treffen. Ich freue mich dann besonders darauf, sie zu sehen, und habe sehr gerne Sex mit ihr. Spätestens nach diesen Monaten merke ich, dass ich wieder mehr Lust auf Sex mit anderen Frauen habe. Ich mache dann nicht Schluss und habe weiterhin Lust auf Treffen und Sex mit dieser Frau, aber es würde mir dann keinen Spaß mit ihr machen, wenn ich nicht zwischendurch auch mit anderen was hätte.«
Die Zeitspanne, in der er besonders einer Frau seine Aufmerksamkeit schenkt, entspricht der Phase, die normale Menschen als »frisch verliebt« bezeichnen. Dieser Zustand ist stark vereinfacht gesagt ein natürlicher, leichter »Drogenrausch«. Der Körper schüttet vorübergehend größere Mengen Hormone und Hirnbotenstoffe aus. Dadurch hat der frisch Verliebte nicht nur besonders gute Laune und viel Lust auf Zärtlichkeit und Sex mit dem Menschen, in den er verliebt ist. Er sieht dessen gute, begehrenswerte Eigenschaften auch besonders deutlich, während sein Gehirn alle negativen Eigenschaften erst einmal ausblendet.
Mit der Zeit sinkt die
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