Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
Vom Netzwerk:
er fühle sich nicht hauptsächlich schlecht, weil die Beziehung gescheitert sei. Das, was er aus seiner Sicht an der Geschichte am schlimmsten fand, erklärte er so:
    »Ich hätte es unangenehmer, aber besser gefunden, wenn sie ehrlich gewesen wäre. Es war klar eine Egonummer von ihr. Sie wollte einfach nicht zugeben, dass sie Schluss machte, weil sie schon einen anderen im Auge hatte. Deshalb hat sie gesagt, dass sie mein Fremdgehen nicht verkraftet hat. Sie wollte sich selbst besser darstellen, als sie tatsächlich ist, und mir einreden, dass das Scheitern der Beziehung meine Schuld war. In Wirklichkeit wollte sie nur nicht dazu stehen, dass sie in dem Fall selbst das Arschloch ist, und mich dann als das Arschloch darstellen.«
    Dass seine Partnerin sich vielleicht nur neu verliebt hatte, weil sie von ihm sehr verletzt und enttäuscht worden war, kam Dorian nicht in den Sinn. So hatte das Beziehungsende in seinen Augen nicht wirklich etwas mit seinem Verhalten zu tun: »Wenn sie sich beim Lügen wenigstens Mühe gegeben hätte, dass ich es nicht mitkriege, wäre es okay gewesen. Aber sie war so stümperhaft unehrlich. Da war mir klar, dass es ihr nur darum ging, vor sich selbst den Schein zu waren.«
    Psychopathische Menschen verdrehen Geschichten gerne so, dass diejenigen, die sie verletzt haben, mehr oder weniger selbst schuld sind. Wie Dorian in diesem eher harmlosen Beispiel spielen sie gern den von ihnen angerichteten Schaden herunter und unterstellen dem Opfer, der eigentlich »Böse« zu sein. Damit hat es ihr eigenes (falsches) Verhalten in ihren Augen verdient.
    Kriminelle Psychopathen nutzen das gleiche Prinzip, wenn sie behaupten, Menschen, die sie bestehlen, nicht wirklich zu schaden. Die sollten aus Sicht des Psychopathen dagegen versichert sein und bekämen dann eine angemessene Entschädigung. Wenn Psychopathen beim Lügen erwischt werden, lügen sie oft einfach weiter, egal wie abwegig ihre Geschichten werden. Sie sagen dann beispielsweise, dass sie sich nicht erinnern können, was genau passiert ist, und dass daher in ihrer Geschichte Ungereimtheiten aufgetaucht sind. Ihre Ausreden können so weit gehen, dass sie ganze Verschwörungstheorien erfinden.
    Ein nach meiner Beurteilung psychopathischer, mehrfach vorbestrafter Mörder versuchte mich und alle anderen dennoch von seiner Unschuld zu überzeugen. Er hatte – wie er auch zugab – in seinem Leben mehr als einmal Frauen getötet; doch die letzte Tat, wegen der er nun in Haft saß, habe er nicht begangen. Dabei blieb er. Er stritt nicht ab, dass er häufiger am Tatort gewesen war und das Opfer kannte. Für alle Spuren, die auf ihn als Täter hinwiesen, hatte er aber gute Erklärungen.
    Sehr interessant war eine wirklich abenteuerliche Verschwörungstheorie, der zufolge er unschuldig in die Machenschaften einer geheimnisvollen kriminellen Gruppe verwickelt worden war. Ich fand die Geschichte sehr interessant, weil sie, so unwahrscheinlich sie auch wirkte, in sich nicht unlogisch war.
    Zur Polizei habe er beispielsweise nicht gehen können, weil er einerseits nur Vornamen oder Spitznamen der Beteiligten kannte und weil sie angeblich damit drohten, seiner Familie etwas anzutun, wenn er sich ihnen widersetzte. Da er verschiedene Orte, Zeiten und Situationen in seiner Geschichte immer wieder ohne Widersprüche erwähnte, konnte ihm auch der größte Skeptiker nicht nachweisen, dass die Geschichte nicht tatsächlich so abgelaufen war.
    Da diesem Mann klar war, dass er, auch wenn er sich nicht widersprach, letztlich nichts beweisen konnte, baute er in seine Ausführungen eine geschickte Finte ein. Er erzählte von einem Mord in einer anderen Stadt, der dem Mord, für den er verurteilt worden war, in einigen Dingen ähnelte. Dieser andere Mord fand statt, als er selbst bereits inhaftiert war, und wurde nie aufgeklärt, obwohl im Fernsehen und in Zeitungen ausgiebig darüber berichtet wurde.
    Der inhaftierte Mann behauptete, dass die Beschreibung des Täters, die in den Medien verbreitet wurde, auf ein Mitglied der geheimnisvollen »Bande« passe. Weil es einige Ähnlichkeiten zwischen den Fällen gab, behauptete er sicher zu sein, dass dieselbe Bande für beide Morde verantwortlich sei. Wenn nur der Täter im zweiten Fall gefunden werde, dann habe man den »wahren« Mörder und er könne damit beweisen, dass er unschuldig sei.
    In beiden Fällen gab es bei sachlicher Betrachtung aber keinen Hinweis darauf, dass dies Taten von einer kriminellen

Weitere Kostenlose Bücher