Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
psychopathische Verstand: Ursprünge, Dynamik und Behandlung« (Originaltitel: »The Psychopathic Mind: Origins, Dynamics, and Treatment«) teilt er psychopathische Menschen mithilfe der Psychopathie-Checkliste von Hare in drei Gruppen ein:
Menschen mit einem Psychopathie-Wert zwischen 25 und 47,5 % – also mit 10 bis 19 Punkten auf der Psychopathie-Checkliste – sind Meloy zufolge »leicht psychopathisch gestört«. Solche mit Psychopathie-Werten zwischen 50 und 72,5 % – was 20 bis 29 Punkten entspricht – schätzt Meloy als »mittelgradig psychopathisch gestört« ein. Jene, die mit 30 Punkten und mehr den von Hare festgelegten Psychopathie-Wert von mindestens 75 % erreichen, nennt Meloy »stark psychopathisch gestört«.
Bis vor kurzem war völlig unbekannt, wie viele Menschen außerhalb von Gefängnissen überdurchschnittlich starke psychopathische Eigenschaften haben. Sicher war nur: Es gibt sie. Aber viele von ihnen begehen keine oder nur geringfügige Straftaten und leben daher völlig unbemerkt unter uns.
Eine Forschergruppe der »Forensisch-psychiatrischen Forschungseinheit« des »St. Bartholomew’s Hospital« in London ging 2009, unterstützt von Robert Hare, der Frage nach, wie viele Menschen in der Allgemeinbevölkerung mittelgradig bis stark psychopathisch gestört sind. Die Wissenschaftler untersuchten 638 Bürger aus England, Wales und Schottland, zwischen 16 und 74 Jahren. Dabei wurden alle als psychopathisch eingestuft, die mehr als 50 % psychopathischer Eigenschaften hatten. Dieser Untersuchung zufolge sind etwa 0,6 % der Menschen in der Allgemeinbevölkerung, also ungefähr jeder zweihundertste Mensch, psychopathisch.
Was psychopathische Menschen von normalen Menschen unterscheidet, sind viele kleine »Charakter-Bausteine«. Die insgesamt zwanzig Bausteine, aus denen Robert Hare seine Checkliste zusammengestellt hat, gruppieren sich in fünf Oberbereiche.
Was Psychopathen von anderen Menschen unterscheidet:
1. Wie sie sich selbst sehen und sich anderen Menschen gegenüber verhalten.
2. Wie und was sie fühlen.
3. Wie sie ihr Leben gestalten.
4. Wie sie seit ihrer Kindheit zu kriminellem Verhalten neigen.
5. Wie sie ihr Sexual- und Liebesleben gestalten.
Der vierte Oberbereich ist typisch für kriminelle Psychopathen, also jene, die Hare für seine Liste im Gefängnis untersucht hat. In diesem Bereich unterscheiden sich psychopathische Menschen, die nicht oder nur selten Straftaten begehen, besonders von ihren schwerkriminellen »Artgenossen«. Warum manche Menschen stark psychopathische Eigenschaften haben und dennoch keine kriminelle Laufbahn einschlagen, dafür hat die Wissenschaft jedoch bis heute noch keine schlüssige Erklärung.
Sicher ist: Es gibt verschiedene »Psychopathie-Typen«. Das bedeutet, einige Psychopathen haben mehr Auffälligkeiten in einem Oberbereich und weniger in einem anderen. Zurzeit sind sich die Forscher sicher, dass es zumindest zwei unterscheidbare Typen gibt. Diese werden »Primäre Psychopathen« (»Psychopathen ersten Ranges«) und »Sekundäre Psychopathen« (»Psychopathen zweiten Ranges«) genannt. »Primäre Psychopathen« sind nicht ängstlich, sehr selbstsicher gegenüber anderen und treten dominant auf. Sie unterscheiden sich vor allem in den ersten beiden Oberbereichen deutlich von anderen Menschen. »Sekundäre Psychopathen« sind weniger selbstbewusst, eher ängstlich, ordnen sich anderen auch unter, haben emotionale Schwankungen und handeln häufiger aus einer Stimmung heraus. Diese Psychopathen unterscheiden sich vor allem im dritten und vierten Oberbereich von anderen Menschen.
Doch eine ganz klare Trennlinie zwischen beiden Typen gibt es in den meisten Fällen nicht. Viele psychopathische Menschen neigen nur etwas mehr in die eine oder in die andere Richtung. Es wird noch viel Forschung notwendig sein, bis Wissenschaftler die verschiedenen Psychopathen-Typen sicher unterscheiden können. Wie und warum diese Typen überhaupt entstehen, wird sich erst dann sicher erklären lassen.
Die vierzig psychopathischen Schattierungen Grau
Ich werde Ihnen nun die insgesamt zwanzig Bausteine vorstellen, aus denen die Psychopathie-Checkliste von Robert Hare besteht. Diese Bausteine legen fest, worin genau sich Psychopathen von den meisten anderen Menschen unterscheiden. Nicht alle Psychopathen weisen alle Bausteine auf. Zwei psychopathische Menschen können aus grundverschiedenen Psychopathie-Bausteinen bestehen, wie Sie noch sehen werden. Auch
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