Auf Dunklen Schwingen Drachen1
den Schultern.
»Er könnte sterben, weißt du? Einige von ihnen sterben. Sieh nur, was das Gift mit meiner Hand gemacht hat, und dabei habe ich die Peitsche nur ganz kurz berührt.« Ich schwenkte meinen Verband unter ihrer Nase. Ein Stück von dem gelben Lehm landete auf ihrem Fuß.
»Tut es noch weh?«
»Sie fühlt sich irgendwie taub an, als hätte ich die ganze Nacht darauf gelegen.«
Sie zuckte wieder mit den Schultern. Hätte ich zugegeben, dass ich schreckliche Schmerzen litt, hätte sie das vielleicht interessiert. In Wahrheit pochte der ganze Arm komisch, als hätte ich mir den Ellbogen an einer Tischkante angeschlagen. Aber es war sinnlos, sich zu beschweren. Ich würde nur von der Arbeit befreit werden, wenn ich dem Tod nahe war. Das Leben als Rishi ist hart.
Trotzdem ärgerte mich Waisis Gleichgültigkeit, und das sagte ich auch, als wir zum Eierkeller gingen.
»Du bist nicht nett, Waisi, gar nicht. Wenn Dono einer der gekürten Jungen wäre, würde er nächstes Jahr beim Mombe Taro ausgepeitscht. Er würde leiden, vielleicht sogar sterben …«
»Halt den Mund. Du weißt überhaupt nichts, du Göre!«
»Bin ich gar nicht.«
»Bist du wohl.«
»Bin ich …«
»Denk doch mal nach, hm? Alle Männer beten jetzt darum, dass der Drachenmeister einen Jungen aus unserem Clan als Schüler annimmt, und warum? Weil sie wissen, dass sich die Lage unseres Clans sofort verbessern würde. Wir wären über Nacht reich!«
Wir gingen in den Keller, und Waisi schlug die schwere Holztür hinter uns zu. Ich versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen.
»Also benimm dich nicht so wie die anderen Weiber des Töpferclans«, fuhr Waisi verächtlich fort, »und winsele nicht herum und tu so, als wäre es eine Tragödie. Benutz deinen Verstand.«
Der Keller roch nach saurem Featon-Häcksel und Erde, die noch nie das Licht des Tages gesehen hatte. Es war ein feuchter, modriger Geruch nach langsamer Fäulnis und fetten Würmern. In dem Dämmerlicht drängten sich die kürbisgroßen Dracheneier am Ende der steilen Erdrampe des Kellers am Boden unter ihrem Schutzmantel aus Häcksel. Auf mich wirkten diese umhüllten Schatten bedrohlich, halb lebendig. Der Keller machte mir Angst …
»Sssie hat keinen Verssstand, den sssie benutssen könnte!«, fauchte eine Stimme im Dunkeln. »Zarq isst ein Weisshirn.«
Ich schrie vor Schreck auf. Waisi verschränkte nur die Arme über der Brust.
»Was machst du hier, Dono?«
Ein kleiner, schlanker Schatten tauchte neben den Eiern auf.
»Ish habe auf dish gewartet.« Donos Stimme nahm einen schmeichelnden Unterton an. »Ish dachte, ish helfe dir dabei, die Eier ssu tragen …«
»Ich brauche deine Hilfe nicht«, erwiderte Waisi brüsk.
Dono kam mit ausgebreiteten Armen die Rampe zu uns hinauf. Sein Lispeln wurde von seiner Unterwürfigkeit noch verstärkt. »Ach, ssag dasss nisht …«
»Du hast mir keine Peitsche besorgt, Dono.«
»Ish mache ess wieder gut!«
»Ich brauche meinen Teil der Abmachung nicht einzuhalten. Das kannst du vergessen.«
Dono blieb vor uns stehen, ein schmeichelndes Lächeln in seinem schmalen Gesicht. »Du kannsst jetsst keinen Rückssieher machen. Ish habe ess sshon allen erssählt …«
»Einmal im Jahr, Dono, einmal im Jahr. So oft findet Mombe Taro statt. Wann sonst habe ich die Chance, einen Bayen zu beeindrucken, heho? Du hast es vermasselt, also bekommst du gar nichts von mir.«
»Du weissßt, wass passsiert, wenn du dass nisht machsst? Du weissßt, wass ssie ssagen …?«
»Das interessiert mich nicht.«
»Ess isst die Sshuld deiner Sshwesster, nisht meine. Dass war meine Peitsshe …«
»He! Ich habe die Peitsche fair gewonnen!«, schrie ich beleidigt. Ich vergaß in dem Moment vollkommen, dass Dono als Mann angesehen wurde und dass ihm eine Frau folglich nicht widersprechen durfte. »Ich war schneller. Ich habe den Drachenmeister vor dir erreicht.«
»Ish könnte dissh jeden Tag sshlagen«, erwiderte Dono, dessen Miene sich drastisch veränderte.
»Aber gestern hast du das nicht geschafft, stimmt’s?«, konterte ich hitzig. »Also gehörte die Peitsche mir. Mir, nicht dir!«
»Du hasst betrogen. Kein Mädshen sshlägt einen Mann. Nie.«
Ich hätte den Mund halten sollen. Aber ich konnte es nicht.
»Selbst der Drachenmeister hat gesagt, dass ich schneller war als du.« Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Ich war schon immer schneller als du … ich habe dich nur glauben lassen, du wärst schneller. So, da weißt
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