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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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auch das Wahlalter nicht. Jemanden für volljährig zu erklären, der noch in der Berufsschule oder in der Unterprima auf der Schulbank sitzt, halte ich nicht für sonderlich sinnvoll.
    Das ist wohl kaum wieder zurückzudrehen.
    Nein. Ich hätte es aber gar nicht erst geändert.
    Durfte sich Ihre Generation so etwas wie Pubertät leisten? Gab es diesen Begriff damals überhaupt?
    Als ich in der Pubertät war, ziemlich spät, habe ich den Begriff nicht gekannt. Den hat es unter Ärzten oder Pädagogen aber sicher gegeben.
    Kannten Sie denn die Symptome, also Pickel, Liebeskummer oder Stimmbruch?
    Ja, Stimmbruch natürlich. Pickel nicht. Erste Liebe, ja, da muss ich lange nachdenken.
    Vor Loki gab es keine, Herr Schmidt!
    Das ist richtig. Ich versuche nachzudenken, wann das war. 1934 oder 1935. Wie alt war ich da?
    Sie sind Jahrgang 1918.
    Also bin ich erst im Dezember 1934 16 Jahre alt geworden. Aber wir waren schon als Kinder befreundet, da war sie zehn und ich war zehn.
    Und dann haben Sie mit 16 gemerkt, dass es mehr war als Freundschaft.
    Ein bisschen mehr, ja, mit 15. Aber dass es sehr viel mehr war, habe ich erst 1941 gemerkt.
    Kurz bevor Sie heirateten?
    Ein Jahr vorher. Als ich nach Russland musste.
    Haben Sie viel an sie gedacht, als Sie in Russland waren?
    Viel gedacht, sagen Sie? Ja, und wie …

    8. November 2007

[ Inhalt ]
    Wachsende Autoschlangen
    Stippvisite in Moskau
    Lieber Herr Schmidt, Sie werden in wenigen Wochen 89 Jahre alt. Aber nichts hat Sie davon abhalten können, jetzt nach Russland zu fahren. Wie war’s denn?
    Überwältigend ist: Wirtschaftspolitisch liegt Russland zwar 25 Jahre hinter den Chinesen zurück, aber das Tempo des Wachstums ist beinahe das gleiche.
    Merkt man das schon am Stadtbild Moskaus?
    Mein vorletzter Besuch liegt zwei Jahre zurück. Inzwischen ist da so viel Verkehr, dass Sie, wenn Sie Pech haben, vom Zentrum bis zum Flughafen bis zu zwei Stunden brauchen. Ich habe die Leute gefragt: Wie viele Autos gibt es in Moskau? Das wusste keiner, man schätzte, zwei bis drei Millionen. Und die meisten Autos waren Privatfahrzeuge.
    Ein Aufschwung für alle?
    Ein für russische Verhältnisse unglaublicher Aufschwung – ich kenne Moskau seit über 40 Jahren. Aber der Aufschwung ist offenbar auf die großen Städte beschränkt.
    Finden Sie das überraschend?
    Jedenfalls ist der Fortschritt seit Jelzin enorm.Wladimir Putin würde nach meiner Vermutung bei einer echten Volksabstimmung zwischen 70 und 80 Prozent Zustimmung erhalten.
    Auch wenn er die Opposition nicht so unterdrücken ließe, wie er es jetzt tut?
    Das war in Russland nie anders.
    Finden Sie das tröstlich, dass es nie anders war?
    Nein. Aber Russland ist seit Iwan dem Schrecklichen in seiner ganzen Geschichte immer autoritär regiert worden – und im Verhältnis dazu ist das gegenwärtige Regime glimpflich.
    Wenigstens sagen Sie nicht, dass Putin ein lupenreiner Demokrat ist.
    Das wäre auch Unfug. Putin ist kein Demokrat, aber er ist ein aufgeklärter Potentat. Leider fühlt er sich von der amerikanischen Regierung in keiner Weise ernst genommen.
    Ist das gefährlich für den Weltfrieden?
    Nein, für den Frieden der Welt geht von Russland heute viel weniger Gefahr aus als etwa von Amerika. Das können Sie ruhig so drucken.
    Wie würden Sie denn das Verhältnis der Russen zu den Deutschen und umgekehrt beurteilen?
    In beiden Richtungen erstaunlich gut.
    Woran liegt das?
    Weil die Russen den Krieg gewonnen haben, gibt eskeinen Hass gegenüber den Deutschen; und wenn Sie sich in Hamburg oder Berlin oder in München mit den Leuten unterhalten, gibt es keinen Hass auf die Russen, eher noch in der ehemaligen DDR.
    Jedenfalls von deutscher Seite eine manchmal etwas unheimliche Faszination. Welcher russische Potentat war Ihnen denn der angenehmste?
    Nicht unbedingt der angenehmste, aber der menschlichste war Breschnew. Er zeigte seine Emotionen, der konnte eine Träne weinen.
    So, wie sich Deutsche einen Russen vorstellen?
    Ja, obwohl ich gar nicht weiß, ob er ein echter Russe war oder möglicherweise ein Halbukrainer.
    Mussten Sie mit einem dieser Russen auch mal saunieren oder auf die Jagd gehen?
    Hab ich niemals getan. Ich bin normalerweise ein kühler Mensch, und gegenüber Ausländern bin ich auch nicht freundlicher. Da käme keiner auf die Idee, mich in seine Sauna einzuladen.
    Ist so eine Reise nach Russland nicht auch eine wahnsinnige Anstrengung für Sie?
    Insbesondere auf Flughäfen, erst muss man den Flur

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