Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
Zeug. Die Schönheit überdauert sogar den Winter. Das ist eine abwegige Sentimentalität. Von wem sind die beiden Gedichte?
Theodor Storm.
Ah, ja. Der Storm liegt meiner Frau mehr als mir. Und Gedichte habe ich nie im Leben behalten können. Es liegt mir nicht, ich kann nicht mal das Vaterunser mit Sicherheit richtig aufschreiben.
Haben Sie denn selber als junger Mensch Zwei- oder Vierzeiler geschrieben?
Nein.
Auch nicht in der Phase, als Sie gemalt und musiziert haben?
Als ich ein junger Mann war, sagen wir 17, 18 Jahre alt, da habe ich Storm’sche Gedichte oder Novalis, die Romantiker oder die Balladen von Fontane gelesen. Aber ich hätte sie nie gelernt.
Und Goethe: »Über allen Gipfeln ist Ruh …«?
Da haftet in meinem Gedächtnis eher die Ringelnatz’sche Persiflage.
Die kenne ich nicht. Wie geht die?
»Drüben am Walde/kängt ein Guruh --/warte nur balde/kängurst auch du.« Das ist haften geblieben, weil es den armen Goethe verballhornt.
Das haben Sie bestimmt in Ihrer Schulzeit gelernt.
Wahrscheinlich. Es ist zufällig hängen geblieben.
Der Herbst ist auch die Jahreszeit der Erkältungen. Darunter haben Sie oft gelitten.
Ich habe unter tausend Erkrankungen gelitten, aber die Erkältung ragt da nicht heraus. Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr erkältet gewesen. Vielleicht liegt das ja am Nikotin.
11. Oktober 2007
[ Inhalt ]
Terrorismus und Panikmache
Gegen Übertreibungen
Lieber Herr Schmidt, unser Innenminister warnt vor Terroranschlägen mit nuklearem Material, unser Verteidigungsminister sagt, er würde ein Passagierflugzeug abschießen lassen, wenn es auf ein Hochhaus gesteuert wird. Dürfen Minister das – die Menschen so ängstigen?
Politiker sollten keine Ängste schüren. Wenn aber ernste Gefahren drohen, dann ist es ihre Pflicht, die Gesellschaft darauf hinzuweisen: Diese Gefahr steht vor der Tür, also seht zu, dass ihr Sandsäcke im Hause habt! So einen Fall habe ich erlebt.
Die Flutkatastrophe in Hamburg.
Ja. Da habe ich meine Frau in Langenhorn rumgeschickt, von Haus zu Haus zu gehen und den Leuten zu sagen: Schafft euch einen Wasservorrat an, möglicherweise wird demnächst das Leitungswasser verseucht sein. Ob es zulässig ist, dass eine politische Führung Ängste erzeugt, obwohl das sachlich nicht geboten ist – etwa, um die Aufmerksamkeit auf sich zu konzentrieren? Da würde ich generell antworten: Nein, das ist unzulässig.
Meinen Sie jetzt die Minister Schäuble und Jung?
Man soll die Leute nicht mit hypothetischenGefahren ängstigen. Abgesehen davon halte ich es für verfehlt, für einen zukünftig denkbaren, aber keineswegs sicheren Fall eines terroristischen Angriffs das dann gebotene Handeln der Regierung im Voraus durch Gesetz festzulegen. Es ist auch falsch, weil es den Terroristen von vornherein verrät, wie der Staat reagieren wird.
Sie haben als Finanzminister während der ersten Ölkrise 1973 den ersten autofreien Sonntag ausgerufen. Wahrscheinlich wussten Sie ganz genau um die symbolische Wirkung leerer Autobahnen.
Richtig. Die Einsparung von Sprit war nicht besonders groß. Das Sonntagsfahrverbot hatte vornehmlich den Zweck, der öffentlichen Meinung klarzumachen: Dies ist eine ernste Situation. Die wurde ja dann noch viel ernster: Es gab eine Weltrezession. Wir wollten klarmachen: Weil das ein ernster Abschwung ist, können wir manche der Dinge, die wir versprochen haben, gegenwärtig nicht finanzieren.
War es schwer, den autofreien Sonntag durchzusetzen?
Nein.
Hat die Autoindustrie nicht protestiert?
Das weiß ich nicht mehr, darauf wäre es aber nicht angekommen.
Würden Sie denn sagen, dass wir Deutschen im Umgang mit dem Terror zu naiv sind?
Der gegenwärtige Terrorismus ist im Wesentlichenislamistischer Herkunft. Davon ist Deutschland bisher nur am Rande berührt worden. So bleiben wir gegenüber der terroristischen Gefahr relativ gelassen. Ob es bei der Gelassenheit bliebe im Falle, dass wir einen schweren Angriff erlebten? Das kann man nur hoffen!
Sie haben einmal gesagt, das Jammern mancher Ostdeutscher fänden Sie »zum Kotzen«. Eigentlich hätten Sie auch sagen können: Sie finden Politiker zum Kotzen, die den Menschen immer nur vermitteln, es ginge ihnen schlecht.
Daran sind nicht nur Politiker schuld, daran ist auch ein Teil des Journalismus mitschuldig.
Wir sind natürlich an allem schuld!
Ich meine das ernst. Da brauchen Sie nur mal die Bild -Zeitung aufzuschlagen. Oder schauen wir in unser eigenes Blatt oder in
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