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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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ich an Verdi denke zum Beispiel, da gibt es diesen wunderschönen Chor der Juden im Nabucco …
    »Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen …«
    Den Text kenne ich nicht. Wenn sie lateinisch oder italienisch sind, kann man die Texte sowieso nicht verstehen. Das schadet nichts. Oper ist in meinen Augen eine nicht geglückte Kunstform.
    Gilt das auch für Wagner?
    Das gilt insbesondere für Richard Wagner. Dessen Texte sind mir furchtbar. Aber seine Musik ist genial, wie die von Verdi auch.
    Legendär sind inzwischen die Aufnahmen eines Klavierkonzertes von Bach, das Sie zusammen mit Justus Frantz und Christoph Eschenbach eingespielt haben. Mussten Sie dafür viel üben?
    Dazu hatte ich gar keine Zeit, ich war Regierungschef. Aber als ich nach London kam und merkte, die Londoner Philharmoniker spielen das doppelt so schnell, wie ich es gewohnt war, habe ich einen Schreck bekommen.
    Und dann?
    Dann haben wir es hingekriegt.

    19. Dezember 2007

[ Inhalt ]
    »Ich bin ein Freund des Jazz«
    Musikalische Vorlieben 2
    Lieber Herr Schmidt, vorige Woche haben Sie anklingen lassen, dass Sie außer Bach gerne auch Cool Jazz hören. Weil dieser auch mehr den Intellekt anspricht als das Gefühl?
    Ja, wahrscheinlich. Ich bin überhaupt ein Freund des Jazz. Was ich nicht höre, ist Rockmusik oder dergleichen. Aber der Jazz ist einer der wenigen originären amerikanischen Beiträge zur westlichen Musikkultur. Es gibt zwei amerikanische Erfindungen: Jazz und Musical. Und der Jazz hat sich ja innerhalb von nur zwei Generationen auf der ganzen Welt ausgebreitet. Heutzutage spielt er leider keine Rolle mehr.
    Und der Jazz ist aus dem Blues hervorgegangen, auch eine amerikanische Erfindung. Sind die Beatles für Sie auch schon Rockmusik oder dergleichen?
    Die Beatles meine ich nicht. Die haben ja mit Rock nichts zu tun. Die Beatles waren sehr melodiöse Musiker. Die habe ich hier im Starclub in den frühen Sechzigerjahren erlebt, da waren die noch Jungs, ich schätze, sie waren 19 oder 20 Jahre alt.
    Haben Sie das gemocht?
    Ja.
    Gibt es irgendeinen Song der Beatles, den Sie im Kopf haben?
    Mehrere, aber mein Gedächtnis versagt hier. Von wem ist »Summertime, and the living is easy«? Ist das von den Beatles?
    Das ist von Gershwin. Wird oft mit »Yesterday« von den Beatles verwechselt.
    Wahrscheinlich. Von den Beatles habe ich Melodien im Hinterkopf. Aber ich weiß nicht mehr, wie die heißen.
    Welcher Cool-Jazz-Musiker ist denn Ihr Favorit?
    Den habe ich Ihnen schon letzte Woche verraten: Dave Brubeck.
    Haben Sie selbst am Klavier auch mal Jazz gespielt?
    Nee, das kann ich nicht. Das muss man irgendwie im Blut haben oder in der Seele. Besonders faszinierend ist eben, wenn man die Bach’sche Klarheit mit dem Jazz verbindet.
    Stimmt denn das überhaupt, was wir vorhin gesagt haben, dass Bach und Cool Jazz den Intellekt ansprechen? Niemand rührt einen doch so zu Tränen wie Bach.
    Bach kann mich auch zu Tränen rühren, aber nicht wegen der Texte. Nur wegen der Musik.
    Wie finden Sie denn die berühmten Jazz-Arrangements von Jacques Louissiers Bach-Trio?
    Die haben mir viel Spaß gemacht. Und auch die Swingle Singers – ein französisches A-cappella-Oktett, das in den frühen Sechzigerjahren hochkam.
    Wann haben Sie Jazz zum ersten Mal gehört?
    Ich glaube, in der Nazizeit.
    Heimlich?
    Heimlich oder nicht, das weiß ich nicht mehr. Es war in einem Lokal hier in Hamburg.
    Haben Sie dazu getanzt oder nur zugehört?
    Getanzt sicherlich nicht. Eher zugehört.
    Können Sie selbst gar keine Musik mehr hören?
    Leider nicht. Ich hatte gestern Abend Besuch von meiner Tochter, einer inzwischen 60-jährigen Frau. Ich saß am Klavier, und meine Frau hat gesagt: »Spiel doch mal die Aria.« Ich dachte, sie meint die Aria, die das Thema der Goldberg-Variationen ist, und habe versucht, die zu klimpern. Das klang für meine Ohren scheußlich, aber sie hat es genau erkannt. Sie meinte: »Nein, die meine ich nicht. Ich meine die Aria von Johann Christoph Bach!«
    War das nicht einer der Söhne Bachs?
    Nein, wohl ein Onkel. Von den Söhnen war wohl Friedemann der bedeutendste Komponist.
    Sie spielen immer noch Klavier?
    Ja, viele Male in der Woche. Ich fantasiere meistens. Improvisieren nennen es die Musiker. Aber sonderlich gut bin ich nicht, ich kann leider keine Fuge improvisieren.

    27. Dezember 2007

[ Inhalt ]
    Lauter alte Freunde
    Die letzte Reise in die USA
    Lieber Herr Schmidt, wie war es in Amerika? Sie hatten vorher gesagt, es ist Ihre letzte

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