Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
rauflaufen, dann dahin marschieren, wo die Autos stehen. Das Laufen ist schwierig.
15. November 2007
[ Inhalt ]
Den inneren Schweinehund überwinden
Über das Schreiben
Lieber Herr Schmidt, als ob Ihre Reise nach Russland nicht schon anstrengend genug gewesen wäre, sind Sie gleich nach Mallorca weitergeflogen.
Und bin, bitte sehr, mit 130 Seiten Manuskript wiedergekommen.
130 Seiten, nach nur zwei Wochen?
Ja.
Wie schreiben Sie das?
Alles mit der Hand. Die arme Frau Niemeier …
… Ihre Sekretärin hier bei der ZEIT …
… ja, sie muss die Handschrift entziffern. Das kann sie aber. 130 Seiten in ihrer weitzeiligen Maschinenschrift – das sind hinterher im Buch vielleicht 60 Seiten.
Schreiben Sie druckreif, oder ändern Sie noch viel am Manuskript?
Ich mache da noch viel dran. Das begann schon auf Mallorca, nachdem mir Frau Niemeier die Seiten zurückgefaxt hatte.
Und wie darf man sich das vorstellen: Sitzen Sie in einer Finca und schließen sich zum Schreiben ein?
Ich war in einem Hotel, das ich nur ein einziges Mal verlassen habe. Aber ich sitze nicht den ganzen Tag am Schreibtisch, ich muss viel schlafen. Manchmal habe ich auf dem Balkon gesessen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen.
Sind Sie ein Autor, der unter Schmerzen schreibt, oder macht Ihnen das Schreiben auch Spaß?
Es macht mir Spaß, aber erst, wenn ich in Gang gekommen bin; den Arbeitsrhythmus wieder zu finden ist das Problem.
Den inneren Schweinehund zu überwinden.
Das meine ich.
Woran schreiben Sie denn?
Ich erzähle Ihnen nur, wie das Buch heißen wird: »Außer Dienst«.
Ausgeschrieben oder als Abkürzung, »a. D.«?
Nee, ausgeschrieben.
Reflexionen?
Ja, es sind innenpolitische, ökonomische und außenpolitische Reflexionen.
Sind Sie zufrieden damit?
Eigentlich könnte es schon in Druck gehen, aber drei der insgesamt fünf Kapitel sind mir zu belehrend, zu trocken.
Ihr eigener Ton ist Ihnen zu belehrend?
Ja. Da muss noch jemand ran und mit ein paar neugierigen Fragen dafür sorgen, dass es ein bisschen lebendiger wird.
Haben Sie auf Mallorca auch den großen Sturm mitbekommen?
Ja, der war doll – auf meinem Balkon standen ein Tisch und ein paar Stühle und Liegestühle. Und auf dem Tisch stand ein Aschenbecher, ein ganz schweres Ding, aus Ton. Den hat der Sturm vom Tisch gepustet, es waren nur noch Scherben auf dem Boden.
Das ist die Strafe dafür, dass Sie immer sagen, die Klimaveränderung sei nicht menschengemacht.
Ein bisschen menschengemacht schon. Aber manche hysterischen Übertreibungen sind dummes Zeug.
Wie reagieren die Hotelgäste, wenn sie den Bundeskanzler a. D. sehen?
Die kriegen mich ja kaum zu sehen, höchstens, wenn ich ankomme und mir den Schlüssel geben lasse oder wenn ich abreise. Ich gehe ja auch nicht ins Restaurant, sondern lasse mir das Essen aufs Zimmer bringen.
Nun gibt es über Sie selbst eine Flut von Büchern, ich habe mindestens 25 gezählt. Lesen Sie die auch?
Nee. Muss auch nicht sein.
So uneitel sind Sie?
Ich bin nicht uneitel, aber warum soll ich das alles lesen?
22. November 2007
[ Inhalt ]
Von der Kubakrise zum
Nato-Doppelbeschluss
Über atomare Bedrohung
Lieber Herr Schmidt, bestand zur Zeit Ihrer Kanzlerschaft wirklich die Gefahr eines Atomkriegs, wie wir damals alle glaubten?
Seit der Kubakrise 1962 keine akute Gefahr.
War unsere Angst also übertrieben?
Ich fühlte durchaus eine Bedrohung; ich ging davon aus, dass sie auf Deutschland zielte. Die sowjetischen SS-20 konnten ja nicht Amerika treffen, sondern sie waren auf europäische Reichweiten beschränkt, und sie waren insbesondere auf Deutschland gerichtet. Jede Rakete hatte drei atomare Sprengköpfe, man konnte mit ein und derselben Rakete gleichzeitig Düsseldorf und Köln und Dortmund ausradieren.
Waren Sie dem ganz machtlos ausgesetzt?
In diesem Zusammenhang sollte ich erwähnen, dass ich die nukleare Gefahr schon lange vorher sehr deutlich gesehen habe. Als ich 1969 Verteidigungsminister wurde, stieß ich auf Pläne der Nato und der deutschen Militärs, entlang der Zonengrenze auf westdeutscher Seite Hunderte atomarer Landminen zu vergraben.
Von wem stammte dieser irrsinnige Plan?
Von der Nato. Gemeinsam mit einem Amerikanerhabe ich diesen todgefährlichen Unfug beseitigen können. Der Amerikaner hieß Melvin Laird, er war damals amerikanischer Verteidigungsminister.
Warum hat das die Öffentlichkeit nie erfahren?
Wir haben das mit Fleiß ganz leise gemacht, um auf beiden Seiten des
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