Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt
stört es mich, ja. Aber ich nehme es gern in Kauf.
Sie werden nicht schwermütig?
Nee.
Wann begannen Ihre Sommer am Brahmsee?
Vor einem halben Jahrhundert, 1958.
Wie haben Sie Ihr Feriendomizil entdeckt?
Durch Zufall. Ich saß in einem Zug im Speisewagen von Bonn nach Hamburg. Der Zug blieb auf der Strecke liegen und man konnte mit seinem Nachbarn lange reden. Es stellte sich heraus, der Nachbar war einOmnibusunternehmer in Kiel. Ich fragte ihn: Gibt es in Holstein irgendwo noch einen Platz an einem See, wo man baden kann, segeln und ein kleines Sommerhäuschen hinstellen kann? Er sagte, ich habe einen Kraftfahrer, der weiß auf den Dörfern Bescheid. So sind wir an dieses Grundstück geraten.
Wie erholen Sie sich am besten?
Ehrlich gesagt, bei der Arbeit, aber im Urlaub mit ein bisschen mehr Schlaf als sonst.
Arbeit ist für Sie also das Schönste!
Das will ich nicht sagen. Ich kann durchaus abschalten. Wenn ich am Klavier sitze, schalte ich total ab.
Können Sie auch einfach nichts tun?
Nee, das würde mir schwerfallen.
Segeln Sie eigentlich noch?
Tu ich nicht mehr. Das Boot ist verkauft.
Sie und Ihre Frau haben am Brahmsee ein kleines Stück Wildnis angelegt.
Angelegt, das ist falsch. Das war eine Brache, knapp sieben Hektar, ganz miserabler Kiesboden, auf dem der Roggen nicht recht gedeihen wollte, den der Landwirt darauf anbaute. Deshalb ließ er ihn als Brache liegen, ohne ihn zu bebauen. Da haben wir ihm die Brache abgekauft, mit dem Ziel, der Natur freien Lauf zu lassen. Nichts zu pflanzen, nichts zu düngen, nichts zu wässern, sondern nur abzuwarten, was die Natur daraus macht. Inzwischen ist so ein kleiner Urwaldentstanden. Die Bäume sind zwischen 15 und 18 Meter hoch. Meistens Eichen, Birken, ein paar wenige Buchen, sehr viele Traubenkirschen. Insgesamt mehr als ein Dutzend verschiedene Bäume. Die meisten von den Vögeln dahingepflanzt. Bis hin zu einer Esskastanie und einer mitten im Urwald stehenden Eierpflaume.
Und so soll es bleiben?
Solange es uns, das heißt meiner Tochter gehört, wird es so bleiben. Es gibt inzwischen Botaniker, auch zoologisch interessierte Wissenschaftler aus Kiel, die von Zeit zu Zeit den Bestand aufnehmen und dort auch über 30 Vogelsorten festgestellt haben. Ab und zu ist mal ein Fuchs da, ab und zu sind Marder da, ziemlich regelmäßig Rehe. Die fressen leider dann auf unserem Wohngrundstück die Blumen ab.
Der letzte Urwald von Schleswig-Holstein!
Es ist einer von mehreren Urwäldern. Aber er ist offen für jedermann, und die Leute gehen da durch und benehmen sich anständig und schmeißen keine Bierdosen weg.
Dass Ferien sind, merken wir immer daran, dass Sie in einer weißen Hose in die Redaktion kommen. Ist das Ihre Brahmseehose?
Da sind lauter weiße Hosen, um mir selber zu suggerieren, dass ich im Urlaub bin.
26. Juli 2007; das Interview führte Matthias Naß
[ Inhalt ]
Eine unglückliche Geschichte
Polen und die Kaczy ń skis
Lieber Helmut Schmidt, Sie sagen, wir beschäftigten uns zu wenig mit Polen. Gilt das noch, nachdem die Regierung in Warschau uns so schrecklich nervt?
Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen ist prekär seit weit über 200 Jahren. Das Schicksal hat den Polen eine geopolitische Lage beschert, in der sie sich zwischen drei Großmächten fanden, Russland, Österreich-Ungarn und Preußen. Zu dritt haben sie Polen unter sich aufgeteilt. Dann kamen Hitler und Stalin und setzten die Verbrechen gegen den polnischen Nachbarn fort. In den Augen mancher Polen sieht die Welt immer noch ähnlich aus wie damals, als die Großmächte gemeinsam Polen drangsaliert haben; denn sie fühlen sich abermals eingezwängt zwischen dem großen Russland und der großen Bundesrepublik.
Polen hatte immer unter Besetzung, Teilung oder beidem zu leiden.
Richtig. Insgesamt gab es fünf Teilungen Polens und nicht nur die drei, die wir noch in der Schule gelernt haben. Deutschland hat sehr viele direkte Nachbarn. Aber unter diesen Nachbarn sind die Polen neben den Franzosen die Wichtigsten.
Warum?
Weil die Geschichte zwischen uns und Polen so unglücklich verlaufen ist.
Aber haben die Deutschen nicht viel getan im Bewusstsein dieser Schuld?
Die Deutschen haben sich eigentlich erst im Laufe der letzten 35 Jahre Mühe gegeben.
Was stand am Beginn dieser Mühe? Der Kniefall von Willy Brandt?
Ja – und der Vertrag zwischen Bonn und Warschau.
Das Engagement von Helmut Kohl für den EU -Beitritt Polens war doch auch aufrichtig und
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