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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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Hamburg? Sie waren ja in den Sechzigerjahren Lokalpolitiker.
    Lokalpolitiker war ich nie. Ich war vier Jahre lang für die Sicherheit meiner Mitbürger verantwortlich. Als Politik habe ich das nicht verstanden.
    Was war es dann?
    Um für die Sicherheit der Bürger zu sorgen, bedarf es weder eines Parteiprogramms noch einer philosophisch-ideologischen Überzeugung; man muss nur das tun, was zweckmäßig ist, man muss darauf achten, dass es weder ein Zuviel gibt an Sicherheit und Vorsorge noch ein Zuwenig. Kriminalität lässt sich nicht total beseitigen.
    Ab wann fühlen sich Bürger einer Großstadt zu Recht bedroht?
    Ich bin in Hamburg groß geworden während der Nazizeit. Damals hat man hier in zunehmender Weise das Gefühl gehabt, vom Staat bedroht zu sein, nicht von privaten Kriminellen. Schon einen Witz zu machen konnte gefährlich sein.
    Ich hatte demokratische Verhältnisse im Sinn.
    Nach 1945 fühlte man sich bedroht von Hunger und davon, dass man kein Dach über dem Kopf hatte. Ich erinnere die Zeit der Nissenhütten, das waren Blechhäuser, innen und außen Blech. Niemand, keine Familie in Hamburg, hatte eine Wohnung ganz für sich. Aber es gab viel gegenseitige Hilfsbereitschaft. Kriminalität hat sich dann relativ bald eingestellt, wie in jeder anderen Gesellschaft der Welt auch.
    Mit welcher Kriminalität hatten Sie es zu tun?
    Zunächst entwickelte sich Kriminalität mit dem schwarzen Markt, man beschaffte sich durch kriminelle Akte Dinge, die man auf dem Schwarzmarkt verkaufen konnte. Ich zum Beispiel habe Kohlen geklaut, das können Sie als Mundraub bezeichnen, obwohl die Kohlen dann in den Ofen kamen und nicht in den Magen. Und bei Dunkelheit habe ich Bäume gefällt. Das war sicherlich strafrechtlich nicht ganz einwandfrei.
    Zurück in die Neuzeit: 2001 hat Ihre SPD in Hamburg die Wahl verloren und Herrn Schill ins Rathaus geholfen, weil sie das Sicherheitsbedürfnis ihrer Bürger so sträflich vernachlässigt hat.
    Die Hamburger SPD hatte eine Reihe von Dingen vernachlässigt. Der Schill war auf seinem Pfad selber an der Grenze des Zulässigen – ich drücke mich sehr vorsichtig aus. Seine Wahl war eine Entgleisung. Solange Schill noch Richter war, hat er eine große Propaganda aufgezogen gegen die permissive Handhabung des Jugendstrafrechts. Er hat übertrieben, aber im Prinzip hatte er nicht unrecht.
    Wie gefallen Ihnen denn die blauen Uniformen der Polizisten, die unter Schill eingeführt wurden?
    Die sind besser als diejenigen, die sich an militärische Uniformen angelehnt hatten. Ganz früher, in meiner Kindheit, waren die Hamburger Polizisten auch blau. Dann wurden sie in Olivgrün eingekleidet. Sie sahen von Weitem wie Soldaten aus, das hat mir sehr missfallen.
    Mögen Sie Politiker, die ein Law-and-order-Image haben, so wie Dregger, Gauweiler oder Schily?
    Gauweiler und Schily kenne ich nur von Weitem, ich bin ihnen ein- oder zweimal begegnet. Dregger habe ich näher gekannt, er war mein Kollege im Bundestag. Der neigte zur Übertreibung der Sicherheit und zur Übertreibung polizeilicher Aufgaben.

    6. September 2007

[ Inhalt ]
    »Das Essen ist mir egal«
    Über Staatsbankette
    Lieber Herr Schmidt, wie viel Zeit müssen Menschen wie Sie bei Staatsbanketten und anderen offiziellen Essen verbringen?
    Kein Mensch muss das müssen, außer Politikern und hohen Beamten.
    Sind die deswegen zu bedauern?
    Nicht unbedingt. Ich will mal vorweg sagen: In meinen Augen ist Essen überhaupt nicht so wichtig. Ich bin mit Labskaus zufrieden. Oder mit Erbsensuppe.
    Aber auf Speck gekocht.
    Ja. Offizielle Essen – das ist ein zu allgemein gefasster Begriff. Geht es um den Präsidenten eines Oberlandesgerichts oder einen Bürgermeister, der den sechzigsten Geburtstag feiert, dann gibt es ein großes Essen mit vielen Leuten. Etwas ganz anderes ist es, wenn zum Beispiel ein armer Außenminister jede Woche an einem offiziellen Essen wegen des Besuchs eines ausländischen Amtskollegen teilnehmen muss.
    Das muss furchtbar sein!
    Das kommt drauf an. Wenn die sich mit sechs Leuten an einen Tisch setzen, dann ist das offizielle Essen praktisch ein privates, dann macht es auch Sinn.
    Weil man inhaltlich reden kann.
    Ja. Wenn es mehr sind, kommt es darauf an, wer Ihre Tischnachbarn sind. Und wenn man nur auf dem linken Ohr hören kann, so wie ich, ist es besonders wichtig, wer der linke Tischnachbar ist. Sonst kann das zur Tortur werden, Zeitverschwendung.
    Konnten Sie selbst aussuchen, neben wem Sie sitzen

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