Auf einmal ist Hoffnung
Liebes? Bist du in Ordnung?«
»O Berto, es war …« Sie war in Gedanken noch im Gefängnis, und ihre Stimme versagte kurz. Aber sie fing sich sogleich und antwortete erleichtert: »Jetzt ist es wunderschön. Jetzt habe ich keine Angst mehr. Ich danke dir, daß du das für mich getan hast.«
»Sind deine Eltern auch bei dir?«
»Ja«, erwiderte sie und war über seine Frage erstaunt.
»Ist keiner von Vacas' Männern bei euch?«
»Nein. Warum fragst du?« Sie war durcheinander.
»Kannst du wirklich offen sprechen?«
»Ja«, sagte sie aufrichtig, »wir sind frei.«
»Gib mir deinen Vater«, bat er sie.
»Er steht neben mir.«
Eine kurze Pause trat ein, dann hörte Rocha die rauhe Stimme des alten Muiz: »Berto, wir danken dir von ganzem Herzen, und die heilige Mutter Gottes wird es dir nie vergessen.« Es klang überschwenglich.
»Seid ihr alle wohlauf? Auch Maria?« Rochas Frage galt seiner künftigen Schwiegermutter, einer besonders aufopferungsvollen Frau.
»Wir sind alle drei in Ordnung, auch Maria«, bestätigte Muiz und wiederholte aufatmend: »Wir danken dir so sehr, Berto, daß wir es gar nicht ausdrücken können. Du hast uns vorm sicheren Tod gerettet, und wir schließen dich in alle unsere Gebete ein.«
Rocha überging es und fragte: »Seid ihr wirklich frei?«
»Frei wie die Fische im Meer«, entgegnete die rauhe, alte Stimme.
»Du kennst doch die falschen Karten, mit denen der Servicio Secreto spielt! Ist wirklich keiner von diesen Kerlen in eurer Nähe?«
»Ich rieche sie gewöhnlich eine halbe Meile gegen den Wind«, erwiderte Muiz selbstbewußt, »aber hier ist die Luft rein und klar«, und er fragte überrascht: »Wie hast du das geschafft?«
Rocha überging die Frage. »Ich traue der Sache erst, wenn ich euch in meine Arme schließe.« Er zögerte. »Drei Tickets auf eure Namen liegen beim PanAm-Schalter.«
»Drei Tickets? Wie ist das möglich?« fragte Muiz verwirrt.
»Ich habe schon vor zwei Tagen ein Konto bei American-Express eröffnet«, sprach Rocha in die Muschel und beobachtete gleichzeitig seine beiden Gefangenen, die das Gespräch aufmerksam verfolgten und deren Gesichter sich bei dieser Eröffnung vor Wut verfärbten. »Laß die Tickets heimlich umschreiben, Muiz«, setzte Rocha fort, »auf die frühere Maschine, hörst du?«
»Ja, ich höre.«
»Mach es aber erst im letzten Moment und achte darauf, daß es niemand mitbekommt. Claro?«
»Claro.«
»Gegen fünf Uhr morgens, hiesige Zeit, seid ihr hier. Dann ruft wieder an. De acuerdo?«
»Alles klar«, antwortete Muiz mit fester Stimme.
»Dann gib mir noch mal Elena.«
Der Vater reichte den Hörer wieder seiner Tochter zurück.
»Berto, ich liebe dich«, drangen ihre Worte zärtlich an Rochas Ohr, und er sah seine Geliebte vor sich: in ihrer achtzehnjährigen Frische, schön wie ein Gemälde von Leonardo da Vinci, mit der zartbraunen Haut des Mischlings und dem kätzchenhaften, leidenschaftlichen Ausdruck einer erfahrenen Frau. »Ich freue mich auf dich«, sagte er leise. Dann beendete er das Gespräch.
In dem Augenblick aber, als er den Hörer aufgelegt hatte, erhielt er einen mörderischen Hieb in den Nacken, wie von einem Eisenhammer. Er sackte vornüber.
Unbemerkt hatte sich der alte Fuchs Cesar Gomes mit Zenons Hilfe während des Telefongespräches lautlos von seinen Fesseln befreit und Rocha mit ineinanderverschränkten Händen diesen Schlag versetzt.
Ein höllischer Schmerz befiel Rocha, doch er biß die Zähne zusammen und kam sofort wieder hoch. Im gleichen Moment aber schlug Gomes ihm die Webley aus der Hand.
Unter Aufbietung seiner ganze Kräfte reagierte Rocha blitzschnell. Ihm blieb nur eine einzige Chance: die Flucht.
Mit einem Sprung war er an der Tür, riß die Kette zurück und stürzte aus dem Zimmer.
16
Das Appartement befand sich im selben Zustand, wie sie es verlassen hatte. Nur die Luft war stickig. Die Fenster waren geschlossen. Auf dem niedrigen Tisch stand noch immer die Tasse Tee, die sie nur halb ausgetrunken hatte, die ›New York Times‹, war achtlos aufgeschlagen liegengeblieben. Im Badezimmer waren die Seife und die geöffnete Zahnpastatube auf der Konsole mittlerweile angetrocknet, die Haarspange lag auf dem Rand des Waschbeckens, und der Duschvorhang war nur halb zurückgezogen. In der Küche standen ein paar benutzte Teller übereinander, der Besen lehnte noch an der Stuhllehne, und das Handtuch hing noch am Drehknopf des Bords.
Die einzige augenscheinliche Veränderung
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