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Auf einmal ist Hoffnung

Titel: Auf einmal ist Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burk Michael
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von ganz Downtown.« Er sagte es voller Bewunderung.
    »Danke, Carlo, ich bin nur glücklich, das ist es wohl.«
    »Dann sind Sie aber schon ganz besonders glücklich, Jennifer.«
    »Warum sollte ich lügen, Carlo, Sie haben recht: ich tanze morgen in der Met.«
    »In der Met?« Er war sprachlos. »Einen Moment, Jennifer.« Dann ging er nach hinten und kam gleich darauf mit zwei weiteren Corn Fritters zurück. »Darf ich sie Ihnen statt Blumen überreichen?«
    Sie war gerührt. Sie hätte nie gedacht, daß Carlo Pelosi an ihrem Schicksal überhaupt Anteil nahm.
    Beschwingt überquerte sie die nasse Straße, schloß die Haustür auf, knipste das Licht an, schloß die Tür wieder ab und stieg leichtfüßig die zwei steilen Treppen hinauf. Als sie die Wohnungstür hinter sich zugemacht, das Licht eingeschaltet, die Sicherheitsschlösser abgeschlossen und die Kette vorgelegt hatte, ließ sie die Tragetasche von ihrer Schulter erleichtert auf den hellbeigen Teppichboden fallen.
    Ihr Appartement war für sie schon immer eine Oase der Entspannung gewesen. Heute aber empfand sie dieses Gefühl besonders stark. Aufatmend ging sie durch den hellen, freundlichen Wohnraum, warf einen verträumten Blick auf die mit einer schmalen Leiste aus Chrom gerahmten Posters von Joan Miró, Andy Warhol und Roy Lichtenstein, auf die Skulptur von Henry Moore, strich mit den Fingern liebevoll über die weichen, weißen Kissen der breiten Sitzecke. Dann vollführte sie die Handhabungen wie jeden Tag, wenn sie abends nach Hause kam. Fenster hoch, ein Blick auf die kleine Grünfläche hinunter, frische Luft ins Zimmer. Kassettenrecorder an. Licht im rosaweiß gekachelten Badezimmer. Ausziehen. Abschminken. Duschen. Mit flauschigem Handtuch abtrocknen. Morgenmantel anziehen. Fenster im Wohnraum herunter. Elektrische Heizung in Gang bringen. Prüfender Blick in den Kühlschrank. Die Dose Tomatensaft herausholen, ein Glas einschenken und genußvoll trinken. Und sich endlich aufs Bett fallen lassen, die Augen schließen und Tschaikowskis Musik in sich aufsaugen. Sie war müde und überglücklich und lächelte froh in sich hinein.
    Sie konnte es noch immer nicht fassen, daß dieser Morgen vor zwei Tagen, der so wie gewöhnlich begonnen hatte, womöglich der Einstieg zu ihrer Karriere werden sollte. Ihre Gedanken liefen wild durcheinander. Von Igor Negolescu zu Chester Wilson, von Patrick Hamilton zu Carlo Pelosi. Auf einmal war sie bei ihrem Vater.
    Sie schlug die Augen auf und zog sich das Telefon heran. Ein Blick auf ihre Armbanduhr: Um diese Zeit war er schon wieder zurück von seiner Reise. Sie wählte die Nummer der Wohnung und ließ es lange durchläuten. Vergebens. Dann rief sie zur Sicherheit im Laden an. Aber auch dort wurde nicht abgenommen.
    Sie überlegte kurz, ob er vielleicht noch in Texas sein konnte oder gerade auf dem Weg nach New York zurück. Entschlossen wählte sie May Tsangs Nummer. Aber auch hier bekam sie keine Antwort. Sie war erstaunt, denn sie kannte May Tsang als eine äußerst ängstliche Frau, die um diese Zeit kaum mehr unterwegs war.
    Eine leichte Nervosität überkam sie. Ob sie sich an Igor wenden sollte? Vielleicht hatte er einen Anruf für sie erhalten. Sie wählte die achtstellige Nummer des Studios. Nichts.
    Noch mal die Nummer von Vaters Wohnung. Dann die Nummer des Ladens. Dann May Tsang. Ohne Erfolg.
    Sie schenkte sich noch ein Glas Tomatensaft ein und trank nachdenklich. Und von neuem war sie in Gedanken bei ihrem Vater.
    Ohne seine verständnisvolle Einwilligung auf ihre damalige Frage, ob sie Tänzerin werden dürfe, und ohne seine spätere aufopferungsvolle Anteilnahme an ihrer künstlerischen Entwicklung hätte sie es heute ganz sicher nicht so weit gebracht. Wie schon so oft dachte sie an den Tag, an dem sie hatte aufgeben wollen. Es war vor drei Jahren gewesen.
    Damals hatte sie ihren Vater telefonisch um eine Unterredung gebeten.
    »Hast du Lust, mit mir zu Abend zu essen?« hatte er warmherzig zurückgefragt.
    Sie hatte sofort zugestimmt.
    »Allright. Paßt es dir um acht bei mir?«
    »Wenn es dir nichts ausmacht, Dad, komme ich etwas früher und decke uns den Tisch.«
    Wie immer, wenn er sie zu sich zum Essen bat, hatte er selber gekocht. Ihre Leibspeise, Choient mit Giblets und Barley. Wie immer, wenn er diese Art von Gänseklein kochte, schmeckte es vorzüglich. Er mochte dabei keine fremde Hilfe um sich haben. In seiner Wohnung wollte er allein sein. Nur Beth, die gutmütige Schwarze, duldete er

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