Auf einmal ist Hoffnung
weit fortgeschrittene Leukämie kann heute bis zu achtzig Prozent geheilt werden.« Louis ließ den beiden Zeit für eine weitere Frage, doch als sie schwiegen, fuhr er ausholend fort: »Aber es geht nicht nur darum, einen Krebs zu heilen oder zurückzudämmen, sondern auch um die frühzeitige Erkennung der Gefahr. Und in dieser Beziehung hat die Wissenschaft seit einiger Zeit einen bedauerlichen Rückschlag erlitten.«
»Rückschlag? Hattest du nicht vorhin gesagt, man käme Tag für Tag weiter voran?« Sie war überrascht.
»Man hat erkannt, daß die konventionelle Art der Früherkennung bei weitem nicht ausreicht«, antwortete Louis bedachtsam, »denn die bisherigen Methoden sind langwierig und ungenau. Aber auch auf diesem Gebiet sind schon neue, große Versuche durchgeführt worden, die zu Hoffnungen berechtigen. Leider fehlt dabei noch die wirkliche weltumfassende Koordination.«
»Welche Art von Versuchen sind es, Louis?« Nachdem Hornberger ihn mehrmals mit seinem Vornamen angesprochen hatte, tat Patrick es ihm gleich.
»In Rochester wird zum Beispiel ein Röntgenapparat ausprobiert, der selbst die geringsten Fehler im menschlichen Organismus entdecken soll«, erklärte Louis.
»In der Mayo-Klinik?« fragte Patrick.
Louis nickte und vervollständigte: »Man nennt es Röntgen-Gewehr. Es besteht aus achtundzwanzig einzelnen Röntgengeräten, die sich fortwährend um den Patienten drehen und in einer einzigen Sekunde Tausende von Einzelbildern aufnehmen können. Ein elektronisches Gerät wählt die Aufnahmen aus und läßt sie dreidimensional auf einem Monitor erscheinen. Es ist geradezu unvorstellbar.« Er redete sich in Begeisterung hinein.
»Seit wann gibt es dieses phantastische Röntgen-Gewehr?« Patrick ließ sich von der Schwärmerei des anderen anstecken.
»Noch nicht allzu lange«, sagte Louis und setzte seine Erklärung fort: »Eine vollkommen neue Wiedergabetechnik zeigt die fotografierten Organe von allen Seiten als Einzelobjekte. Man kann also den Patienten sozusagen fotografisch zerstückeln und am Monitor wieder zusammenfügen. Das bedeutet, daß Krebsgeschwüre im ganz frühen Stadium erkannt werden können.«
»Betrifft das auch die Leukämie?« fragte Jennifer in sich gekehrt.
»Ja. Von großer Bedeutung ist diese Methode vor allem bei Lungenkrebs, der ja bisher röntgenologisch frühzeitig kaum zu erkennen war.«
»Ich finde so etwas faszinierend«, sagte Patrick mehr zu sich selbst.
Louis führte weiter aus: »In Deutschland soll in den nächsten fünf Jahren zum Beispiel ein Apparat entwickelt werden, mit dem Blut oder aufbereitetes Gewebe Zelle für Zelle analysiert werden kann. Je Sekunde werden dann fünfhundert bis eintausendfünfhundert Zellen durchmustert, und schon nach wenigen Minuten liegt das Ergebnis vor.«
Aufgeräumt trank er das Glas Wasser leer.
Er war auf einmal ganz bei der Sache, wies auf neue Probleme hin, die eine solche Durchfluß-Maschine womöglich lösen würde, sprach von Mikroprozessor-Anwendung und ebensolcher Programmierung, von Nanosekunden, tumorassoziierten Parametern, Immunsystemen, Nadelbiopsien und erklärte alles bis ins einzelne.
Sie diskutierten ebenso lebhaft wie besonnen, hörten einander aufmerksam zu und bemerkten gar nicht, wie die Zeit verrann. In eine plötzliche Pause hinein schlug die englische Bracket-Clock aus dem achtzehnten Jahrhundert, die auf dem Sims neben dem offenen Kamin stand, die vierte Nachmittagsstunde.
»Wie wär's mit Kaffee?« fragte Louis in die Runde. »Er würde unsere Sinne stärken.« Ihm war vor Eifer warm geworden. Als sie nicht reagierten, fügte er hinzu: »Kommt mit in die Küche, wir machen ihn gemeinsam.«
»Ich habe zu dieser Durchfluß-Maschine noch eine abschließende Frage«, sagte Patrick zu Louis. »Können Tumorzellen von allen Krebsarten erkannt werden?«
»Theoretisch ja«, antwortete Louis und unterdrückte ein Gähnen, »soweit ich aber informiert bin, will man sich zunächst mit besonders wichtigen Krebsarten befassen: dem Mama-, also dem Brustdrüsenkarzinom, dem Cervix-Uterus-Krebs, das heißt, dem Gebärmutterhalskrebs, und drei Arten der Leukämie.«
Er kniff mit Daumen und Mittelfinger seine Nasenwurzel zusammen, wie um sich wachzuhalten. Der Mittagsschlaf fehlte ihm heute.
Sie gingen miteinander in die Küche.
7
Von seinen Freunden wurde er Joshi genannt. Auch Monroe Kahn hatte ihn so angesprochen. Sein vollständiger Name aber war Joseph Ferene Tilo von
Weitere Kostenlose Bücher