Auf einmal ist Hoffnung
zur Sache.« Er überlegte kurz und holte aus: »Ich war auch in Harvard in der medizinischen Forschung tätig. Ich bin Serologe. Mein Gebiet war das Blut im allgemeinen. Blutbild. Blutkrankheiten. Und so weiter. In den letzten beiden Jahren in Harvard habe ich mich dann immer stärker auf Leukämie spezialisiert, und seitdem ich hier an der Universität von Texas arbeite, befasse ich mich ausschließlich mit Krebs.«
Er sah die beiden an, wie um ihnen die Möglichkeit zu einer Frage zu geben.
Doch sie begegneten beide seinem Blick erwartungsvoll. So ergänzte er einfühlsam: »Ihr beide seid wahrscheinlich medizinische Laien, und ich könnte mir vorstellen, daß ich kaum etwas verstünde, wenn ihr euch in eurer Fachsprache unterhalten würdet. Also fragt bitte, wenn mir ein Ausdruck unterläuft und ein Gedankengang entsteht, mit dem ihr nichts anzufangen wißt. Allright?«
Sie nickten.
»Ihr solltet aber auch nicht ungeduldig werden, wenn ich Themen streife, von denen ihr schon Kenntnis habt«, sagte Louis überlegen, »denn ich glaube, es trägt zu mehr Verständnis bei, wenn ein neues Wissensgebiet von Grund auf erklärt wird, als daß man es nur so nebenher kennenlernt.«
»Sind die Krebsarten nicht zu unterschiedlich, als daß Sie sie hier alle abhandeln könnten?« fragte Patrick. »Sollten wir uns nicht besser ausschließlich auf Leukämie konzentrieren?«
»Sie haben recht, Patrick«, gab Louis zu, »aber ich wollte lediglich eine generelle Bemerkung machen, die für alle Karzinome gilt. Was bezeichnen wir also als Krebs?«
»Ist Krebs nicht einfach eine bösartige Geschwulst?« Jennifers Blick ging von Patrick zu Louis.
»Ja, das stimmt«, antwortete Louis, »aber wir unterscheiden zwischen dem Karzinom, der bösartigen Geschwulst des Deckgewebes, und dem Sarkom, der bösartigen Geschwulst des Binde- und Stützgewebes. Karzinome und Sarkome können zwar an allen Körperteilen entstehen, doch es gibt bevorzugte Organe und Regionen, wo sie auftreten, wie Magen, Geschlechtsorgane, Haut, Stützgewebe, Lunge und so weiter. Krebs ist vorläufig noch deshalb so schwer zu bekämpfen, weil die Ursachen noch nicht geklärt sind. Aber man kommt der Lösung dieses großen Problems allmählich Millimeter um Millimeter näher. Es ist ein zäher Kampf, vielleicht ähnlich dem des David gegen Goliath.«
»Sollten wir uns nicht doch nur ausschließlich mit Leukämie befassen?« fragte Patrick noch einmal. »Ich meine, um Zeit zu sparen«, und er setzte für Louis hinzu: »Ihre Zeit, Professor.«
»Es geht mir lediglich darum, daß ihr beide über den Krebs im allgemeinen genug erfahrt, damit ihr mein Problem besser versteht.« Louis bemerkte, daß Jennifer inzwischen ihr Glas ausgetrunken hatte. »Es ist noch mehr Milch im Haus«, sagte er zu ihr und lächelte sie warmherzig an.
»Danke, im Moment habe ich keinen Durst mehr«, antwortete sie gedämpft, um das Gespräch nicht zu zerreißen.
Louis nahm einen Schluck Eiswasser und stellte das Glas bedächtig zurück auf einen der Bücherstapel auf dem Tisch. Dann sammelte er sich kurz und fuhr fort: »Für eine Krebsgeschwulst gibt es keine Grenze der Ausbreitung und keine Einordnung in den sinnvollen Bauplan des Körpers. Selbst eine gesunde Zelle von einer Tumorzelle zu unterscheiden ist keineswegs einfach. Gewöhnlich entnimmt man dem möglichen Herd Gewebematerial und untersucht es mikroskopisch, oder man setzt Zellkulturen an, um die krebsverdächtigen Zellen zu ihrem unkontrollierten Wachstum anzuregen. Aber solche histologischen oder auch morphologischen Verfahren kosten Zeit, die dann für eine frühzeitige Bekämpfung fehlt.« Er versuchte sich so allgemeinverständlich wie möglich auszudrücken, doch es gelang ihm nicht immer.
Bevor er weitersprechen konnte, unterbrach Patrick ihn: »Was sind histologische oder morphologische Verfahren?«
»Histologie ist die Wissenschaft von den Geweben des Körpers und ihrer Bestandteile, der Zellen. Morphologie aber nennt man die Wissenschaft von der Gestalt und dem Bau des Menschen.« Louis brachte die Erklärung langsam vor und erläuterte im einzelnen.
Danach leitete er über auf das große Problem der frühzeitigen Erkennung von Krebsherden und wie schwierig der genaue Nachweis von krebsverdächtigen Zellen sei. Er gab zu bedenken: »Eine Diagnose anhand eines Blutbildes ist schon deshalb ungenau, weil eine gewisse Anzahl von krebspositiven Zellen notwendig ist, damit man sie erkennen kann.«
»Ich glaube, wir
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