Auf fremdem Land - Roman
erklärte, dass das nur ein Teil der Aktivitäten sei. In Amerika nannte man den Fonds JNF, Jewish National Fonds, und sie befassten sich mit der Mobilisierung von Geldern, die in alles flossen, was mit der Kultivierung von Grund und Boden und Unterhaltsmaßnahmen von Land in Israel zu tun hatte. Meschulam war als Emissär in die USA gekommen und nach einigen Jahren, als er eine Green Card und später einen amerikanischen Pass erhalten hatte, ein einheimischer Angestellter geworden. Seine Hauptaufgabe in Florida bestand darin, Menschen zu finden, die ihr Geld und ihren Besitz dem Staat Israel vermachen wollten, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und diesen Kontakt gut zu betreuen.
»Wie findet man Leute, die ihr Geld Israel vermachen wollen?«, fragte Gabi.
»Ah, das ist eine komplexe Angelegenheit. Ein Mitarbeiter des JNF muss in der jüdischen Gemeinde und in den Synagogen eingebunden sein. Er kann Broschüren über die Aktivitäten des Fonds mitbringen und den Leuten vorschlagen, ein Projekt zu adoptieren. Er kann Vorträge halten, Visitenkarten hinterlassen. Manchmal hört er auch im Vorfeld von einem Kandidaten und stellt den Kontakt her. Hin und wieder wenden sich die Spender von selbst an ihn. Wir veröffentlichen auch Anzeigen.«
»Und was dann?«
»Man vereinbart ein Treffen. Im Allgemeinen sind es alte Juden. Manchmal haben sie auch Familie oder Freunde oder andere Organisationen, und wir erhalten einen prozentualen Anteil vom Erbe. Aber die wirklich großen Fische sind Menschen mit Geld und Besitz, die keine Familie haben, niemanden, dem sie etwas vererben könnten, und dann kommen wir ins Spiel. Das ist die echte Arbeit.«
»Was ist die Arbeit?«
»Ich treffe mich mit ihnen zum Mittagessen. Rufe an, um den Kontakt zu halten. Ich erkläre ihnen die Arbeit des JNF und freunde mich mit ihnen an, versuche, ihnen das Gefühl zu geben, dass sich der Staat Israel um sie kümmert. Es gibt auch finanzielle Regelungen. Manchmal sind sie kompliziert, mit Rechtsanwälten und Buchprüfern. Manchmal ist es einfacher. Man vereinbart die Details nach und nach: der Umfang des Erbes, die Gültigkeit des Testaments, die exakten Formulierungen, wohin genau das Geld transferiert wird, was mit dem Besitz gemacht wird.«
Sie tranken Kaffee an einem Lastwagenparkplatz. Meschulam, der die ganze Fahrt über eisern in Anzug und Krawatte eingezwängt geblieben war, seufzte plötzlich, und Gabi fragte sich, was er wohl wirklich fühlte. »Dann ist deine Arbeit eigentlich, Kontakt mit alten Menschen zu pflegen, sich bei ihnen einzuschmeicheln, dafür zu sorgen, dass sie keinen Anruf bei einem Anwalt machen und dir dann sagen, dass sie irgendeinen entfernten Verwandten entdeckt und beschlossen hätten, ihm alles zu vererben, und darauf zu warten, dass sie sterben.«
Meschulam lächelte. »Nicht die ganze Arbeit, aber das ist ein Teil von ihr.«
»Nicht schlecht.«
»Du verbringst viel Zeit außer Haus, isst mit ihnen, hörst ihnen zu, bist nett zu ihnen. Das ist nicht ganz einfach.«
»Für mich klingt das aber gar nicht schlecht«, versetzte Gabi.
»Es ist manchmal schwierig mit diesen Menschen. Sie sind nicht unbedingt besonders interessant. Oder sie sind böse auf irgendjemand oder ihnen tut irgendetwas weh. Du musst immer für sie da sein.«
»Besser als Kisten und Sofas auf dem Rücken schleppen.«
»Ich vermute es mal. Und auch, vergiss nicht, letzten Endes geht es um den Zionismus. Wir bauen den Staat auf. Wir brauchen dieses Geld.«
Sie setzten die Reise fort. Gabi fuhr. Meschulam fuhr. Gabi fuhr, Meschulam schlief. Sie hielten zum Übernachten in einer Stadt namens Charleston, und während des Abendessens erzählte Meschulam Gabi von einem Klienten, den er mal hier gehabt hatte, gar kein Jude, aber er hatte den Kontakt hergestellt und beschlossen, ihnen sein Haus zu vererben, ein wunderschönes Haus mit großem Garten mitten in der Stadt. Meschulam hatte ihn zum Abendessen getroffen, in einem atemberaubend teuren Meeresfrüchterestaurant. Es war ein faszinierender Abend, der Mann hatte eine interessante Lebensgeschichte, war jahrelang Agent der CIA in Italien gewesen. Sie besiegelten alle Details, am nächsten Morgen wollte der Mann seinen Rechtsanwalt anrufen, um das Testament zu ändern, doch bevor es dazu kam, erlitt er einen Herzanfall und starb in Folge einer Lebensmittelvergiftung, und Meschulam selbst verbrachte den ganzen Tag mit Erbrechen und Durchfall über der Kloschlüssel.
Als er nach der Nacht im Motel
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