Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
Vom Netzwerk:
sagte er.
    »Du würdest eher den Ort mögen, wo ich hinziehe«, erwiderte Meschulam. »Das würde dich an den Kibbuz erinnern.«
    »Wo ist er?«
    »Hollywood, Florida.«
    Gabi staunte.
    »Nicht das Hollywood, von dem du gehört hast. Ein anderes Hollywood, netter. Du wirst es ja sehen, wenn du zum Ausladen hinkommst.«
    »Das werde nicht ich sein«, lächelte Gabi. »Im ersten Monat darf man keine Langstreckentouren machen.«
    Der Fonds
    Hollywood, Florida, war um vieles netter. Gemäß den Vorschriften der Firma hätte Gabi nicht mitfahren dürfen, doch diese Regeln bestimmten ebenfalls, dass mindestens ein Arbeiter, der beim Einladen dabei war, auch beim Entladen dabei zu sein hatte, und da Izik und Victor zu einem Riesenjob mit zwölf Lastern in der Gegend der Wall Street abgestellt worden waren, beugte der Dispatcher eine Vorschrift, um eine zweite einzuhalten. Oder er hatte schlicht keine Leute.
    Sie fuhren wieder an Meschulams Wohnung vorbei, um noch einige neue Sachen einzuladen, die er gekauft hatte. Als sie ihm sagten, dass sie von hier aus direkt nach Florida weiterfahren würden, sagte Meschulam dem Vorarbeiter, dass auch er jetzt dorthin aufbreche, und bot an, Gabi in seinem Auto mitzunehmen. Auch das war nicht nach Vorschrift der Firma, passte aber allen: Meschulam, der ersichtlich Gesellschaft und Unterstützung auf der langen Fahrt nach Süden brauchte; Gabi, dem der Gedanke, zwei bis drei Tage in der Lastwagenkabine mit den zwei Schwachköpfen zu verbringen, die er vor zehn Minuten kennengelernt hatte und die ihn wie Luft behandelten, Sorgen bereitete; und, am allerwichtigsten, dem Vorarbeiter, der die Entscheidungsautorität hatte und sein Glück kaum fassen konnte – er hatte den Riesenjob im Süden Manhattans los und konnte auch noch mit einem Freund samt einem leeren Platz in der Fahrerkabine nach Florida hinunterfahren.
    Eintausendachthundert Kilometer sind eine große Distanz, eine lange Zeit, viel Natur, viel Luft. Gabi spürte, wie er zur Ruhe kam, als er die Großstadt verließ – die wenigen Tage in New York waren der längste Stadtaufenthalt in seinem Leben gewesen. Innerhalb weniger Stunden gewöhnte er sich an den Rhythmus der Fahrt, an die bequemen beigefarbenen Ledersitze des Chevrolets, an die Routine der amerikanischen Straße, an die offenen Weiten, die Raststätten und Straßenrestaurants. Endlich aß er etwas anderes als Big Macs. Und allmählich kehrte das Englisch aus dem Kibbuz zurück und floss wieder ganz natürlich aus seinem Mund – der Rost fiel endlich ab von der Sprache.
    Eintausendachthundert Kilometer sind lange genug, um eine Bekanntschaft zu vertiefen. Meschulam Avneri war seit elf Jahren in den USA . Er hatte einen Sohn, der studierte, eine Tochter, die Soldatin war, und eine geschiedene Frau in Israel, eine weitere Tochter, die in Ecuador herumreiste, und eine zweite Frau, die bis vor zwei Wochen mit ihm in New York gelebt hatte und nach Israel zurückgekehrt war. Ihr Vater war krank geworden, aber das war offenbar nur ein Vorwand. Er wusste nicht, ob sie zurückkommen würde. Sie war von dem Umzug nach Florida nicht begeistert gewesen, und außerdem behauptete sie, Meschulam habe ihr versprochen, dass sie nach Israel zurückkehren würden, obwohl er sich nicht an ein solches Versprechen erinnerte. Also war sie jetzt dort und er hier, und wer weiß, was daraus würde, wobei er sowieso immer viel auf Reisen war und sie die Hälfte der Zeit nicht sah, so dass der Unterschied nicht sehr groß war. Andererseits sollte er in Florida weniger reisen müssen, das war Teil der verbesserten Bedingungen, des Positionsaufstiegs. Zwar war das Büro in New York die Hauptniederlassung in den Vereinigten Staaten, und es war gut, nahe an den Töpfen zu sitzen, am Tisch des Löwen statt beim Fuchs und all die übrigen Klischees, aber die Zone Südflorida zu erhalten, Palm Beach County, der Distrikt mit der höchsten Konzentration weltweit an Juden außerhalb Israels, noch dazu welche Juden!, mit einem sozio-ökonomischen Status und in einer Lebensphase, die haargenau zur Art seiner Arbeit passten – das war kein Angebot, das man ablehnen konnte, da konnte Nira sagen und tun, was sie wollte. Diese letzten Worte Meschulams klangen bitter gefärbt, und seine Augenbrauen zogen sich in seinem grauen Gesicht zusammen.
    Meschulam arbeitete beim Jüdischen Nationalfonds. Gabi erinnerte sich, dass das die Organisation war, die für die Wälder in Israel verantwortlich war, doch Meschulam

Weitere Kostenlose Bücher