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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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richtiger gesagt, Gabi wusste, wie man Bananenbüschel auflud, festhielt, trug und die Berührung der Fruchtfinger auf dem Rücken genoss. Wahrscheinlich würde er, wenn er lang genug die Kisten und Möbel von Amerikanern herumtragen würde, ein ähnlich persönliches Verhältnis zu ihnen entwickeln. Doch an jenem ersten Arbeitstag fragte er sich bloß, ob er ins Ausland gereist war, um Kisten zu schleppen, wo er doch eigentlich herumspazieren, etwas sehen wollte, wobei er nicht wusste, was, aber nicht, um so zu arbeiten, ganz bestimmt nicht, solange er das Geld von Onkel Jaron hatte.
    Er kehrte in die Wohnung und zu dem schweigsamen Mitbewohner zurück, der vor dem Fernseher saß, ging wieder hinunter zu McDonald’s, wusste schon, dass er sich einen Big Mac bestellen würde. Er spürte die lauernde, gespannte Atmosphäre in seinen Schulterblättern, hörte die hohen lachenden Stimmen, die schwarzen, jungen, der Kunden im Restaurant, roch den Ölfilm, seinen eigenen Schweiß und den Ruß der Stadt. Er kehrte nach Hause zurück, duschte sich und wartete im Wohnzimmer darauf, dass der Mitbewohner aufhörte fernzusehen – Eres hatte nicht zu ihm gesagt, dass er in seiner Abwesenheit sein Bett benutzen könne –, und nachdem der Mitbewohner in sein Zimmer gegangen war und Gabi das Sofa zum Bett umgebaut, das Bettzeug gerichtet und sich daraufgelegt hatte, blieb er minutenlang, vielleicht Stunden, wach und fühlte sich noch ein bisschen mehr allein, als er sich je in seinem Bett im Kibbuz gefühlt hatte.
    Am Morgen rief er im Büro an, und man sagte ihm, dass es keine Arbeit gebe. Er verbrachte den größten Teil des Tages zu Hause, ging nur zum Essen hinaus. Am Tag darauf sagten sie zu ihm, er solle kommen. Diesmal arbeitete er mit einem Vorarbeiter namens Izik zusammen, der mit ihm wie ein Offizier mit einem Soldaten redete und mit dem Fahrer – der gleiche Victor – über seinen Kopf hinweg mit lauter Stimme über Partys und Mädchen sprach. Sie erledigten einen kleinen Umzugstransport vom Lagerhaus der Firma in Queens zu einem Büro in New Jersey. Anschließend fuhren sie weiter, um eine Wohnung in Manhattan zu verladen.
    In der Wohnung – geräumig, hohes Stockwerk, beeindruckende Aussicht – wohnte ein älterer Israeli namens Meschulam, der einen Anzug und Zehensandalen trug und nicht viel sagte. Gabi folgte Iziks Befehlen und begann, die Kartons zum Lastwagen hinunterzuschaffen. Victor wartete im Laderaum und schlichtete die Kisten hinein. Sie hatten etwa eine halbe Stunde so gearbeitet, als sich Meschulam glanzpolierte Schuhe statt der Schlappen anzog und verkündete, er habe einen Termin außer Haus. Gabi spürte, wie die Spannung bei Izik sofort nachließ. Jedes Mal, wenn er nach einer Tour zum Lastwagen zurück in die Wohnung kam, hatte Izik eine lässigere Position eingenommen, bis er ihn schließlich auf dem Sofa ausgestreckt vorfand, Meschulams schnurloses Telefon ans Ohr gepresst, während er sich vor Lachen ausschüttete. Als er Gabi hereinkommen hörte, signalisierte er ihm mit den Fingern, Sekunde, beendete das Gespräch nach ungefähr drei Minuten und sagte dann: »Pass mal auf, ich geh runter, was essen mit Victor. Du bleibst und passt auf die Wohnung auf. Ich will nicht, dass der Hausherr zurückkommt und keinen Menschen hier findet. Wenn er vor mir wieder da ist, sag ihm, dass wir kurz Pause machen. Nachher lösen wir dich ab, und du gehst runter, um was zwischen die Zähne zu kriegen.«
    Der Hausherr kehrte zurück. Gabi richtete ihm Iziks Botschaft aus. Er nickte, löste die Krawatte und ließ sich in einem Sessel nieder. Dann seufzte er, ließ seinen Blick von der Aussicht zu Gabi gleiten. »Schon lange in New York?«
    Gabi schüttelte den Kopf. »Drei Tage.«
    Der Mann lächelte. »Sieht man. Du kommst nicht so ganz zurecht, stimmt’s?«
    Gabi fragte sich, was er wohl damit meinte. »Nicht zurecht mit was?«
    »Mit der Stadt. Mit dieser Arbeit.«
    Gabi blickte den Mann an. Überlegte, ob er der Firma gegenüber loyal sein und es abstreiten sollte oder die Wahrheit sagen. Er lächelte. »Man sieht’s?«
    Meschulam lachte. Er fragte Gabi nach seiner Geschichte, und Gabi lieferte eine passende Zusammenfassung. Er gab Gabi eine Coladose aus dem Kühlschrank, Gabi trank sie mit Genuss und spähte hinaus zu den Wolkenfächern und der Sonne, die es schwer hatte, sie von oben zu durchdringen, und zu den hohen Gebäuden, die sie von unten zu durchbohren versuchten. »Diese Stadt ist so riesig«,

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