Auf fremdem Land - Roman
solchen Fällen hätte es keinen Sinn zu kämpfen, denn das würde nur dem Image der Organisation schaden. Daher sei es wichtig, alle Probleme im Voraus zu lösen.
»Nu, was kann sie schon fragen – wieso ich vorhabe, die Hälfte von meinem Geld Leuten zu geben, die ich nicht kenne«, antwortete Zimmerman und nahm einen Schluck Weißwein. Er hatte eine rosige Haut, Brille, eine volle weiße Haarmähne. Sein Geld hatte er als Rechtsanwalt gemacht. »Ich sage zu ihr, Jenny, das ist der Jüdische Nationalfonds, das ist der Staat Israel, das steht im Testament, die Formulierung passiert tausend Augen von Rechtsanwälten, einschließlich meiner, alles ist koscher, alles ist geprüft und wasserdicht, das Geld wird an bekannte Institutionen gehen. Worauf sie sagt, bei allem Respekt für den Staat Israel …«
Die Sache war die, so erzählte Zimmerman, dass Jennifer das Geld überhaupt nicht nötig hatte. Sie hatte geheiratet und sich dann scheiden lassen, von einem Juden, der reicher war als er, Schulman, war im Stahlgeschäft, ob sie den vielleicht kannten? Sie kannten ihn nicht. Jenny hatte viel mehr, als sie zu ihren Lebzeiten ausgeben konnte, auch wenn sie sich anstrengen würde, und zusätzlich sollte sie, als seine einzige Tochter, noch das halbe Erbe ihres Vaters bekommen. Sie meinte es gut, sie wollte ihn nur schützen, sichergehen, dass man ihn nicht an der Nase herumführte, sagte er. Also sei alles, was man machen müsse, seiner Meinung nach, diesen jungen Mann zu ihr zu schicken – er deutete auf Gabi, der im Verlauf dieses Abendessens die meiste Zeit still dagesessen hatte, aber höflich und bedächtig an den richtigen Stellen gelächelt hatte – damit sie sehen würde, dass das Geld wirklich an »good guys« ginge und nicht an irgendeinen israelischen Schurken. Als Zimmerman das sagte, straffte sich Gabi, ein Stück erlesenes Landbrot im Mund, das er auf einen Schlag hinunterzuschlucken versuchte. Er blickte Meschulam überrascht an und entdeckte in den Augen seines Bosses einen Funken von Anerkennung. Der Flug nach New York wurde für die folgende Woche vereinbart.
Es waren einige Monate vergangen, seit Gabi in die kleine Einliegerwohnung in Meschulams Haus in Hollywood eingezogen war. Er fühlte sich wohl dort. Es war überhaupt nicht so wie im Kibbuz, das begriff Gabi schnell, doch es gab einen Garten, die Häuser waren eingeschossig, und der Strand mit seinen weißen Sandkörnern vor dem warmen, türkisen Meer, in dem wunderhübsch aussehende Mädchen planschten, war nah. Er besuchte oft den Kinokomplex, pendelte zwischen den Sälen, in denen die Filme nonstop immer wieder von vorn liefen.
Er hatte Glück – in dem lokalen Büro waren gerade zwei kleinere Posten freigeworden, die zwar für einheimische, amerikanische Kandidaten bestimmt waren, doch es bestand die Möglichkeit, eine vorläufige Arbeitserlaubnis für einen Israeli zu erwirken, der für den Jüdischen Nationalfonds arbeitete, bis die Bürokratie geregelt war. Zuerst lernte er die Büroangestellten und ihre Arbeit kennen: Kontakt mit den jüdischen Institutionen in der Gegend, Organisation von Zirkeln in Privathaushalten, die Suche nach Spendern und Kontaktpflege mit ihnen, die Organisation von Delegationen nach Israel, Verteilung und Einsammlung blauer Sammelbüchsen. Manchmal begleitete er Meschulam zu Terminen, und die restliche Zeit blieb er im Büro. Das erste Projekt, das er völlig allein durchführte, waren Vorträge des ehemaligen Justizministers Dan Meridor in zwei örtlichen Altersheimen.
Die Arbeit war interessant und nicht schwer. Er stellte fest, dass man seiner Berechnung nach im Umzugsgeschäft sicher mehr verdienen konnte, doch das Gehalt war immer noch ordentlich, und seine Ausgaben waren minimal. Die permanente Auseinandersetzung mit reichen Leuten, Menschen, die ihr Leben lang dem Geld hinterherjagten, ein Vermögen machten, aber allein blieben und nicht wussten, was sie mit ihrem Reichtum anfangen sollten, lehrte ihn eines: Am Ende kriegen alle Falten, Haarausfall und schwinden dahin, während sie, im besten Fall, ein paar vereinzelte Verwandte um sich haben, und das Geld, für das sie sich so abgerackert haben, zerstreut sich in alle Winde wie gefallenes Laub.
Auch nach Monaten war ihm Meschulam immer noch ein Rätsel. Er begriff weder seine familiäre Situation noch seinen Beweggrund, einem jungen Mann, den er kaum kannte, Arbeit und Wohnung zu geben. Oder was genau er in seiner Freizeit machte. Manchmal hörte
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