Auf fremdem Land - Roman
nicht mehr gesehen. Nun erzählte Ejal von den zwei Jahren in Buenos Aires, danach zwei Jahre in Paris, an deren Ende seine Eltern, Jona und Jona, sich scheiden ließen. Er blieb bei seiner Mutter und begann, Architektur in einer französischen Kleinstadt zu studieren, und dann beschlossen sie im Kibbuzwerk, die Aktivität im Ausland einzuschränken, und sein Vater siedelte mit der Sekretärin aus der Zeit, bevor sein Büro zugemacht wurde, in ein Dorf in Nordspanien um. Jetzt war sein Vater nach Israel zurückgekehrt, allein, und versuchte, die Mitgliedschaft im Kibbuz und die Arbeit im Werk wiederzuerlangen, und Ejal war gekommen, um ihm zu helfen.
Im Hintergrund fragte Haddaway, was Liebe sei, und bat seine Liebste, ihn nicht mehr zu verletzen, und Ejal fragte, ob das nicht die verrückteste Geschichte sei, die Roni hier in der Bar je gehört hätte. »Nein«, erwiderte Roni, »aber schlecht ist sie nicht.«
Am nächsten Tag kam zur gleichen Zeit Ejals Vater herein. Diesmal erkannte Roni den Gast sofort, obwohl auch Jona anders aussah als früher. Dicker, grauer. »Was willst du trinken, Jona?«, fragte Roni und reichte ihm die Hand zum Händedruck.
Der Abend war das Gegenteil vom vergangenen, zumindest in einer Hinsicht. Am Abend vorher hatte Ejal – Roni hatte gelernt, das nicht zu übersehen – die Aufmerksamkeit fast aller Mädchen in der Bar Barabush erregt, ob sie allein da waren, mit Freundinnen oder Partnern, ob Bedienungen oder Gäste. Als Roni Ejal darauf hinwies, lächelte er und wedelte mit der Hand, als beachte er das schon gar nicht mehr. An diesem Abend war es der Vater, der flehende Blicke an alle verstreute – ob sie allein da waren, mit Freundinnen oder Partnern, ob Bedienungen oder Kundinnen. Und natürlich reagierten sie, als wäre er nicht vorhanden, woran er zwar gewohnt war, aber trotzdem schien er außerstande, damit aufzuhören.
»Hat er dir erzählt, dass er ein Homo ist?«, fragte Jona, und das erklärte für Roni ein paar Dinge, doch er konnte nicht sagen, ob der Frust im Gesicht des Vaters damit zusammenhing, dass ihn die Frauen ignorierten, oder mit der Neigung seines Sohnes, die Frauen zu ignorieren. Jona sagte: »Bist du auch ein Homo? Was soll dieses Bärtchen?«
Jona trank mehr als Ejal. Roni wurde es ein wenig müde, über Argentinien, den Kibbuz und die Psychopathen zu plappern, die ihm nicht vergalten, was er alles für sie getan hatte. Als Jona anfing, mit einer Touristin in Spanisch zu plaudern, nutzte er die Gelegenheit und entschlüpfte für eine Weile ins Lager. Als er zurückkam, winkte Jona ihm mit dem Finger. »Jona«, sagte Roni, »hast du nicht genug getrunken für einen Abend? Soll ich dir ein Taxi bestellen?«
»Bloß einen Moment noch«, entgegnete Jona mit leiser Stimme, brüchig vor Müdigkeit und Alkohol.
»Wir machen einfach bald zu. Willst du, dass ich Ejal auftreibe, dass er dich abholen kommt?«
»Hat er dir erzählt, dass er ein Homo ist?«
»Du hast es mir erzählt«, antwortete Roni und schätzte die in der Bar verbliebene Kundschaft ab. Es war natürlich nichts Außergewöhnliches, dass ein Betrunkener am Ende der Nacht Hilfe brauchte, doch Roni spürte einen Stich von Mitleid mit dem alten Kibbuzgenossen. Jona murmelte etwas in Spanisch. »Was?«, fragte Roni nach.
»Ein Homo ist bei ihm rausgekommen«, schloss Jona und stand schwankend auf.
Roni hätte sich verabschieden und seinen Angelegenheiten zuwenden können, doch er kam hinter der Bar hervor und sagte: »Komm, Jona, ich bestell dir ein Taxi. Wo musst du hin?« Jona reagierte nicht. »Oder soll ich Ejal rufen?«
»Den Homo?«, sagte der Vater, legte eine Hand auf Ronis Schulter und stolperte langsam neben ihm her.
Die säuerliche Luft der Bar wurde von der schweren Nachtluft abgelöst. Da standen sie, der betrunkene Ältere und der peinlich berührte Jüngere, eine Hand auf die Schulter, die zweite Hand wohl oder übel um die Hüfte des Schwankenden gelegt, warteten schweigend, bis sich Jona räusperte, einen spanischen Fluch ausstieß und dann fragte: »Wie geht’s deinem Bruder, dem loco ? Alles in Ordnung mit ihm? Hat er sich aufgerappelt?«
Roni stutzte kurz und sagte dann: »Es geht ihm gut. Er ist gerade in New York.«
»New York? Schön, schön.«
Roni winkte einem vorbeifahrenden Taxi. Es hielt nicht.
»Ich werd im Leben nicht vergessen, wie wir ihn entführt haben, ich und Jona, Ejals Mutter, wie wir ihm den Mund mit diesen stinkenden Käfern vollgestopft
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