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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Hummers ein. Und Panzerfahrzeuge. Und Planierraupen. Eine lärmende, schwere Kolonne. Das Soundsystem der Jerusalemer Tonfirma mischte die Instrumentierung des Purimlieds »Und auch Charbona« von den Kolonisatoren etwas überraschend in ein Lied der Rockgruppe Maschina.
    Michael Jackson fragte, wie kann das sein? Eine männliche Braut aus dem Dreiergrüppchen sagte, das sei unfassbar. Die Tigerin brüllte: »Hamas!«, und Schneewittchen schrie: »Was? Am Fest? Schämt ihr euch nicht?« Michael Jackson zog sein Telefon heraus und rief seinen Freund, den Befehlshaber des Zentralkommandos an. Kein Ton, keine Antwort. Die Kolonisatoren sangen nun: »Er ritt nach Palästina, auf einem zweihöckrigen Kamel.« Rambo stellte fest: »Was für ein Chaos«, wobei unklar war, ob er weinselig oder besorgt über die Entwicklungen war. Kareem Abdul-Jabbar suchte seine Pinguinin, und der Häftling erhielt Order, bei seinem Vorgesetzten anzutreten, doch auch er hatte etwas getrunken, verdammte Scheiße, das war sein letzter Tag beim Militär, er durfte doch feiern. Die Hunde bellten, die Kolonne hielt, und Soldaten und Polizisten der Sondereinheit stiegen mit versiegelten Gesichtern aus den Fahrzeugen.
    Zum arabischen Dorf marschierten Harry Potter, ein rothaariger Araber und ein Linker, der in seiner Hand eine festliche Ladung Purimgeschenke trug, eine knisternde Zellophantüte mit Gummibonbons, vier Mini-Waffeln, Kokos-Schokolade-Keksen von Jenia Freud und noch ein paar Highlights für die Dorfbewohner. Jakir und Josh unterhielten sich leise über irgendein technologisches Thema, und Roni stapfte schweigend voraus, rauchte, spann Gedanken über Rina, die Kindergärtnerin, und ihren geschlossenen Kindergarten, in dem er seine Tel Aviver Nächte verbracht hatte. Sein Blick wurde von einer Wüstenlerche gefangen genommen, die überraschend über den dürren Hügeln aufstieg – flog sie in heißere Länder? –, und er erinnerte sich an sein letztes Gespräch mit Mussa. Mussa hatte angerufen und erzählt, dass sie ihm Bäume im Olivenhain verbrannt hatten. Roni spürte, dass er ihn im Verdacht hatte und anrief, um auszukundschaften, wo er war, doch er befand sich in Tel Aviv. Er versprach Mussa, Nachforschungen anzustellen. Er hatte es auch wirklich versucht, war jedoch auf eine Mauer des Schweigens gestoßen, die ihn an den Kibbuz erinnert hatte – es schien, als wüssten alle, wer was getan hatte, doch da sei Gott davor, dass jemand außerhalb darüber redete. Und Roni stand außerhalb. Sogar Gabi gab ihm dieses Gefühl: Vergiss es, steck deine Nase nicht da rein, lass uns unsere Angelegenheiten regeln. Roni fragte sich, inwieweit sein Bruder selbst Teil des inneren Zirkels am Hügel war, was er wusste. Er warf den Zigarettenstummel auf die weiche Erde und lächelte bitter. Er war ja nicht blöd. Ein Jahr lebte er nun hier, er kannte die Personen, die am Werk waren. Es war unschwer zu verstehen, wer der Mann am Hügel für solche Sonderaufgaben war, ob eigenmächtig oder im Auftrag der Gemeinde. Der schweigsame Junge auf dem Pferd namens Killer: Jehu.
    Doch Roni erriet nur einen Teil der Wahrheit – Jehu war dort nicht allein gewesen.
    Im Dorf Charmisch war es ein verschlafener Wintertag, der nur von der lautstarken Musik der Juden beeinträchtigt wurde. Irgendeine Frau blickte aus dem Küchenfenster und sah das Trio anrücken. Sie rief ihren Bruder, der ebenfalls aus dem Küchenfenster spähte und einen Freund anrief, und innerhalb weniger Minuten versammelte sich trotz der Kälte eine Gruppe Interessierter, die neugierig und verblüfft, belustigt und irritiert die drei Juden beobachteten, oder die zwei Juden und den Araber, die sich ihnen näherten.
    Am Spielplatz Sheldon Mamelstein in Ma’aleh Chermesch 3 sagte jemand: »Oha, schaut euch das mal an.«
    Damit gemeint war die Ausrüstung zur Auflösung von Demonstrationen – Helme, Schlagstöcke, große transparente Plastikschutzschilder. Die Soldaten und Polizisten erhielten die Befehle und nahmen Aufstellung gegenüber der Gruppe der kostümierten Gestalten. Nefesch Freud, der Polizist, zupfte am Ärmel seines Vaters und fragte: »Wer sind die, die sich auch als Polizisten verkleidet haben?«
    Hauptmann Omer stieg auf die Bühne und verlangte das Mikrophon. Erst da hörte die Band auf, die langsame Walzerversion einer aramäischen Variante von »Adlojada« zu spielen.
    Schweigen herrschte, während sich Omer räusperte und dann begann: »Hallo … guten Abend Ihnen allen.

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