Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Hannes, die Schleuse III hat ihre Tücken. Du mußt … Aber er schwieg. Er biß auf das Mundstück seiner Pfeife und beobachtete seinen Sohn.
    Ein guter Kerl, dachte er dann. Ein geborener Schiffer. Er wird wie alle Baumgarts auf dem Schiff sterben.
    Wie alle Baumgarts?
    Der Gedanke, einen Sohn zu haben, der nach sechsundzwanzig Jahren nicht mehr zu ihm gehörte, der einfach wegging, als sei er ein Fremder, beschäftigte ihn mehr, als er sich selbst eingestehen wollte.
    Er hatte sich von Minden aus erkundigt: Das Geld, die 30.000 DM, lagen noch unberührt in München. Jochen war nicht nach München zurückgekehrt! Das machte den alten Baumgart sehr nachdenklich.
    In Bremen löschten sie die Ladung Kohle für die Werften und Hüttenwerke. Eine Rückladung hatten sie noch nicht. So fuhren sie zum Binnenhafen und legten sich seitlich der anderen Schleppkähne an die Mauer.
    Warten! Warten – wie dreißig oder vierzig andere Schiffe – auf Ladung, auf einen Auftrag, auf eine Fahrt zurück zum Rhein oder zur Elbe und zum Havelkanal nach Berlin.
    Der alte Baumgart machte sich wieder auf den Weg.
    »Bleib bei dem Schiff«, sagte er zu Hannes. »Solange ich noch gehen kann, werden wir Ladung haben. Wenn es nicht mehr geht, mußt du es machen. Dann kennst du die Wege und die Herren, von denen wir abhängig sind.«
    Er ging den ganzen Tag durch Bremen. Er fuhr nicht mit einem Wagen oder mit der Straßenbahn. Er lief zu Fuß. Wenn ich fahre, sind dies bei allen Fahrten bestimmt 3 DM. Für 3 DM aber kann ich ein ganzes Brot kaufen, ein Viertelpfund Butter und eine dünne Streichwurst. 3 DM sind Leben, sind Sattsein und Fortbestehen. Es wäre sinnlos und verantwortungslos, sie aus Bequemlichkeit heraus zu verfahren …
    Auf der Schifferbörse kaufte er sich die Verbandsmitteilungen. Er las die Artikel über die Not der Binnenschiffer, überflog die Statistiken über den Rückgang der Frachtaufträge aufgrund der erhöhten Frachtsätze und schüttelte den Kopf über einen Aufsatz von der sterbenden Romantik auf dem Wasser.
    Er las auch etwas, was er nicht weiter beachtete, über das er hinweglas, weil es ihn nicht interessierte.
    »Das neue Motorfrachtschiff ›Fidelitas‹ der Aconda-Werft wurde gestern in Dienst gestellt. Es handelt sich um eine von vier Dieselmotoren getriebene Selbstfahrzille modernster Ausstattung. Wie die Werft und der junge Reeder, der das Schiff gestern übernahm, erklärten, soll die ›Fidelitas‹ aufgrund ihrer Bauart nach den neuesten Strömungsforschungen das schnellste Motorfrachtschiff sein, das bis heute auf den europäischen Bin nenwässern fährt. Die Jungfernfahrt der ›Fidelitas‹ geht von Hamburg durch den Geeste-Elbe-Kanal, die Unterweser und den Küsten-Kanal zum Dortmund-Ems-Kanal und dann den Rhein hinauf bis Basel. Das moderne und schnellste Schiff hat Fracht für alle Fahrten. Wie der Reeder J.B. mitteilte, will er auf dieser Fahrt einen neuen Schnelligkeits rekord einer ›Fahrt quer durch Deutschland‹ aufstellen.«
    Das J.B. in der Meldung machte Peter Baumgart nicht stutzig. Es war für ihn unmöglich, in diesem Zusammenhang etwas zu denken, was außerhalb seiner kühnsten Träume lag. Er steckte die Zeitung in die Tasche seines Rocks und ging weiter, bei seinen alten Kunden um Fracht bettelnd. Später wickelte er ein Stück Rindfleisch in die Zeitung. Erna sollte am Sonntag einen schönen Braten machen. Mit eingemachten Bohnen und Speckkartoffeln. Das Fleisch kostete 2,90 DM. Peter Baumgart war mit sich zufrieden. Es war das gesparte Fahrgeld. Es war ein erlaufener Braten.
    Bei der Firma Wittfort & Co., mit der er seit zwanzig Jahren zusammenarbeitete, bekam er endlich eine Ladung nach Duisburg. Der alte Wittfort, mit über siebzig Jahren noch rüstig und von morgens bis abends hinter dem Schreibtisch seines Exportbetriebes, empfing Peter Baumgart – wie alle Geschäftsfreunde – mit Händeschütteln und einem Kognak.
    »Der sechste«, sagte der alte Baumgart. »Wenn Sie mir Kognak geben, brauche ich mich gar nicht erst hinzusetzen. Ich habe jetzt Erfahrung darin. Kognak bedeutet: keine Ladung.«
    Wilhelm Wittfort drückte Baumgart in einen der alten Ledersessel. »Seien Sie nicht so verbittert«, sagte er und goß den Kognak ein. »Ich kann verstehen, daß die Zeiten einen mißtrauisch machen. Glauben Sie, ich wüßte nicht, wie es heute da draußen im Hafen aussieht?«
    »Sagen auch Sie, ich sei zu langsam?« fragte Peter Baumgart stockend.
    Wilhelm Wittfort klopfte ihm

Weitere Kostenlose Bücher