Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ausstaffieren und seine Mannschaft zusammenstellen sollen.
    Er hatte nicht zuviel versprochen. Was Baumgart sah, übertraf alle seine Erwartungen. Was da heranmarschierte, zackigen Schrittes, ausgerichtet und bepackt mit Seemannssäcken, war das Letzte, was ein Seeräuber alten Stils aus allen Häfen zusammenkratzen konnte.
    Schon wer die Gesichter sah, wußte, was er zu erwarten hatte. Mächtige, muskelbepackte Körper stampften heran, denen zwei dünne Gestalten folgten. Karl Bunzel marschierte an der Spitze in einer neuen, blauen Kapitänsuniform mit drei goldenen Ärmelstreifen, einer weißen Sommermütze, sauberen Händen, frisch rasiert und mit geputzten, schwarzen Schuhen. Nur Strümpfe trug er nicht.
    »Mannschaft halt!« kommandierte Bunzel laut.
    Die Truppe stand wie ein Denkmal. Kein Seesack wackelte, kein Kopf schwankte.
    »Die Augen – links!«
    Konsul Dr. Borsch sah dem zur Meldung herantrabenden Bunzel entgegen. »Wer ist denn das?« fragte er Baumgart.
    »Mein Kapitän.«
    »Sie wollen doch damit nicht sagen, daß diese Gestalten aus den schrecklichsten Alpträumen Ihre Mannschaft darstellen?«
    »Es ist meine Mannschaft.«
    Dr. Borsch trat etwas zur Seite und zog Baumgart am Ärmel mit sich. Sein Gesicht war gerötet.
    »Das ist unerhört!« sagte er leise. Er beherrschte sich mühsam und versuchte, bei seinen Worten freundlich auszusehen, weil die anderen Herren zu ihnen hinüberblickten. »Das beste Schiff Europas bevölkern Sie mit einer Räuberbande! Ich werde Ihnen morgen eine neue Mannschaft schicken! Diese hier jagen Sie zum Teufel, woher sie kommen!«
    »Ich werde sie behalten!« Baumgart befreite sich von dem Griff Dr. Borschs und ging dem heranmarschierenden Bunzel einige Schritt entgegen.
    »Mannschaft der ›Fidelitas‹ zur Stelle!« meldete Bunzel. »Wir begrüßen unseren Eigner und geloben, Sturm und Regen, Eis und Hitze nicht zu scheuen und ihm immer treu zu dienen. Unserem Eigner ein dreifaches Hipp, hipp, hurra!«
    Die wie Eichen stehenden Kerle mit den Seesäcken brüllten, daß die Morgenluft erzitterte. Dr. Borsch war etwas blaß geworden, auch die übrigen Herren gingen einige Schritte vom Fallreep weg, als Bunzel mit seiner Mannschaft das neue, das herrliche Schiff betrat.
    Auf Deck warfen sie ihre Säcke weg, stellten sich in einer Reihe auf, schwenkten die Mützen und brüllten noch einmal ein dreifaches Hipp, hipp, hurra!
    Damit hatten sie Besitz ergriffen und verschwanden über den Mannschaftsgang im Inneren des Schiffes.
    Dr. Borsch trat wieder an Jochen Baumgart heran. »Ich wünsche Ihnen kein Glück«, sagte er scharf. In seinen Augen stand Haß. Er gab sich keine Mühe mehr, ihn zu verbergen. »Ich wünschte, sie würden von Ihrer eigenen Mannschaft totgeschlagen! Das wäre die beste Lösung aller schwebenden Probleme. Ich möchte nicht wissen, wieviel Jahre Zuchthaus sich jetzt auf dem schönen Schiff tummeln.«
    Er wandte sich ab und verließ grußlos das Werftgelände. Plötzlich hatten es auch die anderen Herren eilig. Sie nickten Baumgart zu, warfen noch einen Blick auf die ›Fidelitas‹ und gingen. Keiner wies die Mannschaft ein, keiner erklärte den Maschinisten die neuen Maschinen, keiner dem Steuermann die modernen Navigationseinrichtungen, keiner drückte dem Kapitän die Hand und wünschte ihm Gute Fahrt.
    Es war die merkwürdigste, die entehrendste, die schäbigste Schiffsübernahme, die es je gegeben hatte.
    Die ›Guter Weg‹ zog gemächlich ihre Bahn. Seit sie Bremen verlassen hatten, waren fünf Tage vergangen. Hannes war unten im Maschinenraum und reparierte eine Pumpe. Der alte Baumgart stand wieder am großen Rad und lenkte das Schiff wie in all den Jahrzehnten sicher und überlegen durch die Mitte des Kanals.
    Seit drei Stunden hockte Hannes unten in der Tiefe des Schleppers und lehnte sich gegen die eiserne Bordwand. Er hörte deutlich das Rauschen des Wassers, das Klatschen der Wellen und sah, wie unmerklich, aus unbekannten Ritzen her, das Wasser in den Kiel sickerte und die Pumpe III versagte. Er hatte sie auseinandergenommen, neue Dichtungsscheiben eingelegt, sie neu geschmiert, die Elektrozuleitung überprüft und wieder zusammenmontiert. Sie lief noch immer nicht …
    Wieder begann Hannes die Pumpe abzunehmen und jedes Teil einzeln durchzusehen. Er beugte sich über die schwere Pumpenscheibe und trug sie, mit beiden Händen umklammernd und gegen die Brust drückend, ein Stück zum Einstieg hin, wo das Tageslicht durch die Ladeluke

Weitere Kostenlose Bücher