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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf die Schulter. »Ich habe immer Ladungen für Sie, Baumgart. Immer! Wir Alten müssen zusammenhalten. Meine Söhne denken da anders. Sie rechnen mit dem Rechenschieber aus, wieviel sie gewinnen, wenn sie die Konkurrenz um drei Minuten schlagen. Der Erfolg ist, daß mein Ältester schon dreimal in Bad Nauheim war mit Kreislaufstörungen und mein Mittlerer gerade aus dem Harz zurückkehrte. Nervöses Magenleiden. Aber es ist in den Wind gesprochen, ihnen etwas zu sagen.«
    »Ich weiß. Ich habe auch so einen Sohn. – Und die Ladung?« fragte der alte Baumgart.
    »Ich gebe Ihnen zwei Bunker Seesand mit und zwei Bunker mit halbfertigen Eisenteilen für die Binnenwerften in Ruhrort. Zufrieden?«
    »Sehr.« Der alte Baumgart schluckte. Es ist ein Almosen, empfand er. Seesand und Eisen – Dinge, die nicht verderben können, die Zeit haben, mit dem Kahn ›Guter Weg‹ über die nassen Straßen zu schwimmen. Es war gleichgültig, ob sie zwei Tage früher oder später ankamen. Aber es war eine Ladung. Es war eine Fahrt zurück an den Rhein. Es war Geld …
    Als er den alten Wittfort verließ, war er traurig und zufrieden zugleich.
    »In Becken III, Kai 14, wird beladen«, sagte er zu Hannes, der mit einem langen Pinsel die Luken des Ladebunkers 2 teerte. »Wir fahren sofort ab.«
    Auf eine Antwort wartete er nicht, sondern ging in die Kajüte zur Erna Baumgart.
    »Mutter«, sagte er und legte das Paket mit dem Braten auf den Tisch. »Es hat mal wieder geklappt. Wir sind doch nicht das alte Eisen, wie man immer behauptet. Es gibt langsamere als wir.«
    In Hamburg übernahm Jochen Baumgart sein modernes Schnellschiff ›Fidelitas‹.
    Es zeigte sich, daß der kurze Brief von Generaldirektor Meerbach mehr als bares Geld war. Er war ein Schlüssel zur großen Gesellschaft und zu einer bevorzugten Behandlung.
    Die ›Fidelitas‹ hatte zunächst für einen Konzern laufen sollen. Sie war nicht bestellt, sondern von der Werft für eigene Rechnung gebaut worden, um sie später zu verkaufen. Der Konzern hatte das Schiff nach dem Stapellauf besichtigt und zur Bedingung einer Übernahme gemacht, daß es nach den modernsten Gesichtspunkten ausgestattet würde. Als es fertig war, kam Jochen Baumgart zufällig zu der Werft, sah dieses Schiff und legte seinen Brief auf den Tisch der Direktion.
    Generaldirektor Konsul Dr. Borsch las das Schreiben und musterte verstohlen den jungen, eleganten Mann. »Das ist eine Vollmacht.«
    »Allerdings.« Jochen Baumgart sah aus dem Fenster hinaus zum Schwimmdock, wo der hohe Bug des neuen Schiffes weiß in der Sommersonne glänzte. »Ich möchte die ›Fidelitas‹ übernehmen.«
    »Wir haben schon einen Interessenten.«
    »Das kann ich mir vorstellen. So ein modernes Schiff erregt Aufsehen. Wer auch der Interessent sein mag – ich übernehme es! Ich zahle in bar.«
    »Über Herrn Meerbach?«
    »Ja.«
    »Für die Stahlwerke?«
    »Nein. Für mich.«
    Konsul Dr. Borsch nahm das Schreiben und steckte es in die Tasche. »Sie entschuldigen mich einen Augenblick, Herr Baumgart«, sagte er verschlossen. »Ich muß über diese neue und plötzliche Lage erst mit dem Werftvorstand sprechen.«
    »Bitte.«
    Jochen Baumgart lächelte vor sich hin. Jetzt ruft er erst Meerbach an, dachte er. Er traut mir nicht. Wer kann heute ein Schiff in bar kaufen? Aber Meerbach wird ihm schon sagen, wer ich bin. Er wird andeuten, daß Konsul Dr. Borsch manchmal Gast bei Paul Meyer ist. Und wenn der Konsul dort ist, sieht man auch Vera Begon, die Tänzerin der Oper.
    Er wartete nicht lange, bis Dr. Borsch wieder ins Zimmer trat. Sein Gesicht war etwas blasser geworden. Was Meerbach ihm am Telefon gesagt hatte, ließ sich nicht so schnell verdauen.
    »Die ›Fidelitas‹ bleibt also in der Familie, wenn man so sagen darf«, sagte er zu Baumgart, der nachdenklich durch das große Fenster auf das leuchtende Schiff blickte.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Wir stellen Ihnen das Schiff zur Verfügung. Das ist bestimmt der höchste Preis, den je ein Erpresser erhalten hat!«
    »Er ist nicht höher als das, was Sie verlieren könnten. Zudem möchte ich das Wort Erpresser im Zusammenhang mit mir nicht mehr hören, Herr Dr. Borsch!«
    Konsul Dr. Borsch schob die Unterlippe vor. Er warf einen schnellen Blick hinaus auf das Dock und auf die in der Sonne spiegelnde ›Fidelitas‹.
    »Man sollte Sie in eine Irrenanstalt sperren! Wissen Sie, was das Schiff da draußen kostet? Es hat 1.600 Tonnen und eine Länge von 90 Metern. Es ist das

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