Auf nassen Straßen
vorzunehmen – von unserer Tasche in Ihre Tasche. Da nutzt es nichts, daß man zetert und sich beschimpft, man muß real bleiben.« Er winkte Baumgart zu. »Bitte, nehmen Sie Platz. Eine Zigarre? Nein? Bitte, es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche?«
Jochen Baumgart setzte sich. Er beobachtete Generaldirektor Meerbach. Ein raffinierter Bursche, dachte er. Spielt den Jovialen, verletzt nie die gesellschaftlichen Spielregeln, bleibt der Gentleman, auch wenn es um seinen Kragen geht. Ein harter Brocken.
»Haben Sie sich überlegt, was ich bei unserem Freund Meyer vorschlug?« fragte Jochen.
Meerbach nickte eifrig. »Wir haben lange deswegen konferiert. Herr Schleggel und ich sind von unseren Gesellschaftern beauftragt, Ihnen Vorschläge zu unterbreiten. Sie wissen, daß es bei einer AG immer ein Gesellschafterbeschluß ist, der solche Dinge regelt. Ich selbst habe keinerlei Verfügungsrecht oder einschneidende Kompetenzen. Ich bin – wie man so sagt – der oberste Beamte einer Privatbehörde. Weiter nichts. Ein Gehaltsempfänger.«
»Mit 3 % Beteiligung am Gesamtumsatz.«
Meerbach sah kurz hoch. Seine Beherrschung war glänzend. Er lächelte sogar.
»Sie sind informiert wie gewisse Zeitschriften. Gratuliere!«
»Danke!« Baumgart verbeugte sich im Sitzen. »Es mag Ihnen dies ein Beweis sein, daß ich Dilettantismus in jeder Form mißachte.«
Direktor Schleggel biß sich auf die Unterlippe. Das war eine Drohung – er verstand sie so gut wie Meerbach.
»Was wollen Sie?« fragte er grob.
»Ich will ein Schiff!«
»Das war also keine Bierlaune von Ihnen?«
»Ich pflege bei geschäftlichen Dingen nicht in alkoholischen Phrasen zu denken. Wenn ich sage: ein Schiff – dann meine ich ein Schiff! Kein Klotz wie die ›Bremen‹ – das wäre schon ein psychiatrischer Fall. Ich will – und das habe ich Ihnen schon erklärt – ein modernes Motorschiff für die Binnenschiffahrt. Einen Motorschlepper, der nach den neuesten Erkenntnissen gebaut ist, viel Ladefläche besitzt und die Konkurrenz aus dem Feld wirft durch rationellste Kalkulationen aufgrund des Modernen.«
»Und warum wollen Sie ein Schiff? Sie als Diplom-Volkswirt und Jurist?«
Jochen Baumgart sah auf seine Hände. Sein Gesicht war verschlossen und hart. »Das sind Gründe, die Ihrerseits auf kein Interesse stoßen.«
»Vielleicht doch.«
»Nein!« sagte Baumgart. Es war laut und grob.
»Sie wollen also eine Motorzille auf dem Rhein. Haben Sie denn das Steuermannspatent?«
»Haben Thyssen oder Krupp es?«
»Sie sind Unternehmer. Reeder. Sie haben ihre Kapitäne.«
»Ich werde den meinen haben.«
»Sie wollen also Reeder werden?«
»Ja.«
»Mit unserem Geld!«
»Sagen wir besser mit Ihrer freundschaftlichen Hilfe. Ein Liebesdienst unter Klubmitgliedern. Wo wir doch soviel gerade von Liebe verstehen …«
Schleggel blickte zu Baumgart hinüber. Jochen goß sich einen Kognak ein – ein halbes Schwenkglas voll. Schleggel grinste. Vielleicht ist dies seine verwundbare Stelle. Vielleicht können wir ihn mit Alkohol niederzwingen. Auch Meerbach sah es, aber er beugte sich schnell wieder über seine Papiere.
»Wohl bekomm's, Herr Baumgart«, sagte er. »Ich habe hier eine Kalkulation aufgestellt. Wie Sie wissen, hat unser Konzern Schiffe auf den Binnengewässern liegen, so daß wir genau informiert sind, was in einem solchen Geschäft steckt. Wir kennen die Aktiva und Passiva – wir haben ein statistisches Material von über dreißig Jahren. Darf ich Ihnen sagen, daß Sie in spätestens drei Jahren pleite sein werden?«
»Oder ich habe drei neue Schiffe auf dem Wasser.«
»Wohl kaum. Der Binnenschiffahrtsmarkt ist flau! Er steckt in einer Krise. Die Elbe fehlt uns – die sogenannte DDR mit ihren Wasserwegen. Die Donau fließt durch rotes Land. Auch hier ist eine Kalkulationslücke. Unser Europa ist zu klein geworden für die Schiffe, die vom Binnenwasserhandel leben wollen. Wir stellen uns um. Wir haben die Pläne dazu in den Panzerschränken liegen. Aber Sie, Baumgart? Ein Schiff bleibt ein Schiff, und es lebt von Ladungen. Da ändert sich nichts. Da gibt es keine Umstellungen der Produktion. Die Binnenschiffahrt ist der undehnbarste Wirtschaftszweig.«
Jochen Baumgart sah Meerbach an. Er hat recht, durchfuhr es ihn. Er hat bestimmt recht. Aber ich muß ein Schiff haben. Ich muß!
»Lassen Sie das bitte meine Sorge sein«, sagte er ein wenig arrogant. Direktor Schleggel scharrte mit den Füßen über den dicken Veloursteppich.
»Es
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