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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schnellste und modernste Schiff der deutschen Binnenschiffahrt. Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen dieses Schiff gebe? Meerbach und Schleggel können es nicht bezahlen, und von mir bekommen Sie keinen roten Heller!«
    Jochen Baumgart fühlte, wie sein Atem stockte. Am Ziel seiner Wünsche stand plötzlich ein Mann, der keine Angst hatte. Er sah es den Augen Dr. Borsch an, daß dieser entschlossen war, zu handeln.
    Jochen nahm alle Kraft zusammen.
    »Sie wollen Meerbach und Schleggel opfern?«
    »Wenn es sein muß – ja! Ich habe es eben Meerbach gesagt. Ihr Wissen ist keine Million wert!«
    »Und was antwortete Meerbach?«
    »Er überließ es mir, mit Ihnen zu verhandeln. Das tue ich jetzt! Und ich möchte Sie am liebsten hinauswerfen und mit meinen eigenen Füßen in den Hintern treten.«
    »Und warum tun Sie es nicht?«
    »Aus Rücksicht auf meine Freunde. Ich mache Ihnen deshalb auch ein Angebot, das mir schwerfällt, weil es gegen meine Auffassung ist.«
    »Bitte?«
    »Wir geben Ihnen das Schiff auf Miete. Wir vermieten die ›Fidelitas‹ an Sie auf Amortisationsbasis. Das bedeutet, daß Sie von Ihren Einnahmen jeweils 30 Prozent an uns abführen, bis das Schiff bezahlt ist und damit Ihnen gehört. Ein reelles Geschäft mit einem Lumpen. Das ist eine Novität im Reedereibetrieb. Sie haben damit das erreicht, was Sie eben so leidenschaftlich hinausschrien: Wir haben Ihnen die Möglichkeit gegeben, sich emporzuarbeiten! Was wollen Sie mehr?«
    Jochen Baumgart trat an das Fenster. Auf dem langen Deck der ›Fidelitas‹ schrubbten junge Arbeiter die Planken. Die langgezogenen, flachen Kajütenaufbauten bekamen den letzten weißen Außenanstrich. Dort, unter dem niedrigen, kaum sichtbaren Schornstein, lagen im Leib des Schiffes die schnellsten und besten Dieselmotoren. Die Kraft, die dieses herrliche, schlanke Boot durch die Wasser der europäischen Ströme und Kanäle treiben würde …
    »Ich nehme Ihr Angebot an«, sagte Jochen Baumgart.
    Konsul Dr. Borsch atmete auf. Es war ihm, als könnte er freier atmen. Bluff ist alles auf dieser Welt, dachte er befreit. Wenn er wüßte, wie ängstlich wir alle sind! Wie sehr wir einen Skandal scheuen! Wie wichtig uns sein Schweigen ist …
    »Das Schiff kann in drei Tagen in Dienst gestellt werden. Haben Sie Kapitän, Mannschaft, Steuermann?«
    »Ich werde in drei Tagen mit ihnen hiersein.« Jochen Baumgart lächelte. Es war nicht das Lächeln des Siegers – es war eine Brücke zu einem besseren Kontakt, der Dr. Borsch abrupt auswich, indem er sich herumdrehte. »Für die erste Ladung sorgen Sie doch auch?«
    »Wir sind eine Werft!«
    »Aber Sie haben Verbindungen. Es wird Ihnen nicht schwerfallen, für Europas modernstes Binnenschiff eine Ladung zu bekommen. Die zweite und alle weiteren Fahrten besorge ich.«
    »Zu gütig!« Dr. Borsch nickte. »Gut. Tun wir auch das noch für Sie. Aber dann kommen Sie nicht wieder! Ich trete Sie in die erste beste Körpergegend, wenn Sie es wagen, noch einmal hier hereinzukommen! Ihre 30 Prozent vom Erlös überweisen Sie auf unsere Bank. Ich möchte Sie nie wiedersehen!«
    Vier Tage später marschierte in Becken 4, Werftanlage VI, eine Mannschaft ein, die Konsul Dr. Borsch mit offenem Mund betrachtete.
    Am Fallreep der auf dem Wasser schaukelnden ›Fidelitas‹ standen einige Herren der Werft, um der Übernahme des Schiffes durch Herrn Jochen Baumgart als Zeugen beizuwohnen. Man war vorher durch das ganze Schiff gegangen, hatte es besichtigt, erklärt, die neuesten technischen Raffinessen bewundert und festgestellt, daß es wirklich kein moderneres und schnelleres Frachtschiff geben konnte.
    Konsul Dr. Borsch schritt mit eisiger Miene neben Baumgart her. Er sprach kein Wort. Er ließ einen Angestellten der Konstruktionsabteilung erklären und kämpfte gegen die Übelkeit und die Wut an, ein solches Schiff einem Lumpen wie Baumgart geben zu müssen. Auch als Baumgart sich an ihn wandte und ihn fragte, antwortete er nur knapp, gerade so viel, daß es nicht gerade beleidigend war und den anderen Herren nicht auffiel.
    Um 7 Uhr erfolgte der Einmarsch Kapitän Bunzels, eines verkommenen, versoffenen Kapitäns, den Baumgart in einer verräucherten Kneipe in St. Pauli engagiert und ihm damit eine neue Lebenschance gegeben hatte. Hinter ihm her marschierte im Gleichschritt und mit durchschlagenden Armen eine kleine Armee in Blau und Weiß, die neue Mannschaft der ›Fidelitas‹. Kapitän Bunzel hatte sich mit vorgestrecktem Geld

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