Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
fragte Brunetti nach: »Kämpft mit Worten oder kämpft mit Händen, Signora?«
»Kämpft mit Worten, nur mit Worten«, sagte sie, als mache die andere Möglichkeit ihr Angst.
»Was ist passiert?«
»Sie schimpfen laut. Signor Fontana sagt, Signor Marsano nicht ehrlich, selbe mit Mann von oben. Dann Signor Marsano sagt, er ist schlechte Mann, geht mit Männer.«
»Aber Sie meinen, er war ein guter Mann?«, fragte Brunetti.
»Das ich weiß «, antwortete sie heftig. »Er für mich Anwalt geholt. Guter Mann in Tribunale. Er mir geholfen mit Papiere, zu bleiben.«
»Dass Sie in Italien bleiben können?«, fragte Brunetti.
»Die ist da nicht, Zinka«, rief das Mädchen vom Ende des Flurs und quengelte im Näherkommen: »Können wir jetzt endlich weitermachen?«
Zinka lächelte, als das Mädchen in der Tür erschien. »Eine Minute, dann wir machen weiter.«
»Wissen Sie den Namen des Anwalts, Signora?«, fragte Brunetti.
»Penzo. Renato Penzo. Freund von Signor Fontana. Er auch guter Mann.«
»Und Signora Fontana?«, fragte Brunetti, dem die Ungeduld des Kindes und die zunehmende Unruhe der Frau nicht entgingen. »Ist die eine gute Frau?«
Zinkas Blick wanderte von ihm zu dem Kind. »Unsere Gäste jetzt gehen, Lucia. Du machst ihnen Tür auf, ja?«
Das Kind konnte es kaum erwarten, weiter Kartoffeln zu schälen, lief zur Wohnungstür und riss sie auf. Dann ging es auf den Absatz hinaus, lehnte sich übers Geländer und schaute nach unten. Brunetti bemerkte, wie nervös die Frau bei diesem Anblick wurde, und beeilte sich aufzubrechen.
Kurz vor der Tür blieb er noch einmal stehen. »Und Signora Fontana?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf, sah, dass Brunetti ihre Zurückhaltung akzeptierte, und sagte: »Nicht wie Sohn.«
Brunetti nickte, verabschiedete sich von Lucia und ging, gefolgt von Vianello, die Treppe hinunter.
21
Angesichts der Hitze, die sie draußen erwartete, blieb Brunetti auf dem Hof stehen und fragte Vianello: »Hast du schon mal von diesem Penzo gehört?«
Vianello nickte. »Der Name ist ein paarmal aufgetaucht. Er macht viel kostenlose Rechtsberatung. Kommt aus wohlhabenden Verhältnissen. Beamtenfamilie oder so etwas.«
»Kostenlos – für Einwanderer?«, fragte Brunetti, dem allmählich einfiel, was er selbst über den Anwalt gehört hatte.
»Scheint so, wenn er für die Frau da oben arbeitet. Die verdient bestimmt nicht genug, um sich einen Anwalt leisten zu können.« Vianello unterbrach sich, und Brunetti hörte ihn förmlich in seinem Gedächtnis kramen. Schließlich sagte er: »Ich kann mich an keinen speziellen Fall erinnern, wo er etwas für Einwanderer getan hat, nur dass man viel von ihm hält, das hat sich mir irgendwie eingeprägt.« Vianello machte eine vage Handbewegung, um die Tücken der Erinnerung zu illustrieren. »Du weißt ja, wie das ist.«
»Mhm«, stimmte Brunetti zu. Er sah auf seine Uhr und stellte überrascht fest, dass es noch nicht mal halb zwei war. »Wenn ich beim Tribunale anrufe und mich erkundige, ob er jetzt dort ist – bringst du noch die Energie auf, mich dorthin zu begleiten, ohne zusammenzubrechen?«
Vianello schloss die Augen, und Brunetti fragte sich, ob ihm nun eine melodramatische Vorstellung bevorstehe, auch wenn er so etwas von Vianello noch nie erlebt hatte. Der Inspektor machte die Augen wieder auf und sagte: »Wir könnten das traghetto bei Santa Sofia nehmen. Das ist der kürzeste Weg, und nur auf der Strada Nuova und in der Gondel hätten wir es mit der Sonne zu tun.«
Brunetti rief die Telefonzentrale des Gerichts an, ließ sich mit der Sekretärin verbinden und erfuhr, dass Avvocato Penzo heute einen Termin habe. Die Verhandlung sei für elf Uhr in Saal 17D angesetzt gewesen, es sei jedoch zu Verzögerungen gekommen, vermutlich habe die Sitzung erst gegen eins angefangen, aber das lasse sich nur durch einen Besuch im Gerichtssaal feststellen. Brunetti dankte ihr und legte auf. »Bei Gericht läuft es heute schleppend«, sagte er zu Vianello.
Vianello öffnete den portone, riskierte einen Blick nach draußen und berichtete: »Die Sonne steht am Himmel.«
Zwanzig Minuten später betraten sie das Gerichtsgebäude, ohne dass irgendjemand sie nach einem Ausweis fragte. Sie begaben sich in den zweiten Stock und gingen den Korridor zu den Sitzungssälen hinunter. Durch die Bürotüren zu ihrer Linken und die dahinterliegenden Fenster öffnete sich ein wunderbarer Blick auf die Palazzi auf der anderen Seite des Canal
Weitere Kostenlose Bücher