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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Grande.
    Die Luft im Haus brütete so dumpf wie die Leute, die im Korridor an den Wänden lehnten. Die Stühle waren alle besetzt; einige benutzten ihre Aktentaschen als Hocker oder Sitzkissen; einer kauerte auf einem Stapel gebündelter Prozessakten. Die Bürotüren standen alle offen, damit die Luft zirkulieren konnte, falls sie das wollte, und gelegentlich kamen Leute heraus und kämpften sich durch den überfüllten Flur, stiegen über Füße und Beine und kurvten, so gut es ging, um zusammengesunkene Körper herum.
    Sie fanden Saal17D am Ende des Korridors. Auch hier stand die Tür offen und gingen Leute nach Belieben ein und aus. Brunetti winkte einem Schreiber, den er kannte, und fragte ihn nach Avvocato Penzo. Der halte gerade sein Plädoyer, sagte der Schreiber, »gegen Manfredi«, einen Anwalt, von dem Brunetti schon gehört hatte. Sie gingen hinein – und zogen sofort ihr Jackett aus, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden.
    Am hinteren Ende des Raums saß der Richter an einem Pult, das seinerseits auf einem erhöhten Podest stand. Er trug Barett und Robe, Brunetti fragte sich, wie er das aushielt. Jemand hatte ihm einmal erzählt, manche Richter trügen im Sommer nur Unterwäsche unter ihren Roben: Da war bestimmt etwas dran. Die Fenster zum Kanal standen offen, und die wenigen Leute im Raum saßen alle in deren Nähe, nur die Anwälte nicht, die vor dem Richter standen beziehungsweise saßen; auch sie hatten ihre schwarzen Talare an. Einer Anwältin, die am anderen Ende der Stuhlreihe weit weg von den Fenstern saß, war der Kopf nach hinten gesunken. Selbst aus der Entfernung konnte Brunetti sehen, dass ihre Haare so nass waren, als sei sie soeben aus der Dusche gestiegen. Ihre Augen waren zu, ihr Mund offen. Ob sie bewusstlos war oder schlief, von der Hitze überwältigt oder tot, war nicht zu erkennen.
    Wie von Magneten angezogen, bewegten sich Brunetti und Vianello auf die Fenster zu und fanden zwei freie Stühle. Im Raum waren Lautsprecher installiert, und vor dem Richter und auf den Tischen der Anwälte standen Mikrofone, aber die Anlage funktionierte nicht richtig, denn die Stimmen aus den zwei Lautsprechern hoch oben an den Wänden waren bis zur Unverständlichkeit verzerrt. Die Gerichtsstenographin saß etwas unterhalb direkt vor dem Richter; entweder konnte sie dieses Krächzen verstehen, oder sie saß nahe genug an den Sprechern. Jedenfalls tippte sie so munter auf ihrer Maschine herum, als befände sie sich auf einem anderen, kühleren Planeten.
    Brunetti – vertraut mit der Szene und den Darstellern – betrachtete das alles wie einen dieser Filme im Flugzeug, die er sich gern ohne Kopfhörer ansah. Er beobachtete einen Anwalt, der theatralisch den Ärmel seines Talars hochschob und mit einer ausladenden Handbewegung ein entscheidendes Argument vortrug oder vielleicht auch nur eine Fliege fortwedelte. Der andere Anwalt setzte eine befremdete Miene auf; worauf der erste beide Hände in die Luft stieß, als vermöchte er nur so seiner Fassungslosigkeit Ausdruck zu verleihen. Brunetti fragte sich, ob die Richter das nicht auch manchmal taten: weghören und einfach nur die Gesten beobachten. Ob sie anhand der Gesten die Aussagen als wahr oder falsch einstuften. Außerdem hatte in einer so kleinen Stadt jeder dieser Anwälte einen bestimmten Ruf, nach dem man seine Ehrlichkeit einschätzen konnte, und so brauchte ein erfahrener Richter vielleicht nur die Namen der Anwälte der beiden Parteien zu lesen, um zu wissen, auf welcher Seite die Wahrheit zu finden war.
    Schließlich wurden hier vor allem Lügen vorgetragen, oder jedenfalls Ausflüchte und Interpretationen. Ohnehin war es nicht Sache der Justiz, die Wahrheit herauszufinden, es galt lediglich, dem Bürger die Macht des Staates zu spüren zu geben.
    Brunettis Blick wanderte wieder zu der Anwältin hinüber, die sich immer noch nicht bewegt hatte, und dann fielen ihm selbst, von der Hitze überwältigt, die Augen zu. Ein Stupser in die Seite ließ ihn aufschrecken. Er sah Vianello fragend an, und der wies mit einer leichten Kopfbewegung zum Richterpult.
    Zwei Gestalten in Talaren traten vor den Richter, der sich vorbeugte und ein paar Worte flüsterte, die nicht einmal verzerrt aus den Lautsprechern drangen. Als wollte er auf Brunettis Spielchen eingehen und hier tatsächlich eine Pantomime aufführen, klopfte der Richter mit einem Finger auf seine Armbanduhr. Die beiden Anwälte sagten gleichzeitig etwas; der Richter schüttelte den Kopf.

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