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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hohen Fenstern waren aufgezogen, so dass – in scharfem Kontrast zu Fontanas finsterer Wohnung in der Etage darunter – viel Licht in das Zimmer strömen konnte. Die Wände waren in hellstem Elfenbeinton gestrichen: An einer hing eine Druckgraphik, vielleicht von Otto Dix; an einer anderen mindestens ein Dutzend Bilder, offensichtlich alle von derselben Hand gemalt: kleine abstrakte Gemälde, die nur aus drei Farben bestanden – Rot, Gelb und Weiß – und aussahen, als seien sie mit einem Spachtel aufgetragen worden. Brunetti fand sie aufregend und einschläfernd zugleich, fragte sich nur, wie der Künstler das zuwege gebracht hatte.
    »Mein Mann malt«, sagte sie betont neutral, wies mit einer Hand auf die Bilder und dann auf das Sofa. Brunetti horchte auf – sie hatte nicht gesagt, dass ihr Mann Maler sei– und wartete auf die Erklärung. Die kam sogleich: »Er ist Bankier und malt in seiner freien Zeit.« Es war durchaus Stolz herauszuhören, doch im Übrigen war ihre Stimme bemerkenswert gefasst und hatte eine angenehm tiefe Klangfarbe.
    »Verstehe«, sagte Brunetti und nahm neben Vianello Platz, der schon sein Notizbuch gezückt hatte und sich zum Schreiben anschickte. Brunetti dankte der Frau, dass sie mit ihnen sprechen wolle, und fragte dann: »Könnten Sie uns bitte sagen, wann genau Sie und Ihr Mann gestern Abend nach Hause gekommen sind?«
    »Warum müssen Sie das noch einmal fragen?« Sie klang nicht verärgert, eher aufrichtig verwirrt. »Das haben wir doch schon den anderen Polizisten gesagt.«
    Brunetti log, ohne mit der Wimper zu zucken, und lächelte sogar dabei. »Es gab da eine Unstimmigkeit von einer halben Stunde zwischen dem, was der Tenente und dem, was einer der anderen Beamten von Ihrer Aussage in Erinnerung hatte, Signora. Das wollten wir nur schnell klären.«
    Sie dachte kurz nach, bevor sie antwortete. »Es muss fünf oder zehn Minuten nach Mitternacht gewesen sein«, sagte sie. »Als wir von der Strada Nuova abgebogen sind, haben wir die Mitternachtsglocken von La Madonna dell’Orto gehört, und wenig später sind wir hier angekommen.«
    »Und Ihnen ist hier nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Nein.«
    Freundlich fragte er: »Könnten Sie mir sagen, wo Sie gewesen sind, Signora?«
    Diese Frage war ihr offenbar neu. Sie lächelte knapp und antwortete: »Nach dem Abendessen wollten wir eigentlich fernsehen, aber es war zu warm, und außerdem lief sowieso nur dummes Zeug, also sind wir ein bisschen spazieren gegangen. Im Übrigen«, fügte sie etwas entspannter hinzu, »ist das die einzige Zeit, wo man sich in der Stadt bewegen kann, ohne ständig den Touristen ausweichen zu müssen.«
    Vianello nickte, wie Brunetti aus dem Augenwinkel mitbekam.
    »Allerdings«, stimmte Brunetti lächelnd zu. Mit Wohlgefallen betrachtete er das Zimmer mit der hohen Decke und den Leinenvorhängen. »Können Sie mir sagen, wie lange Sie hier schon wohnen, Signora?«
    »Fünf Jahre«, antwortete sie lächelnd, nicht unempfänglich für das Kompliment, das sie in seinen glänzenden Augen sah.
    »Wie sind Sie an diese schöne Wohnung gekommen?«
    Die Temperatur ihrer Stimme senkte sich, als sie antwortete. »Mein Mann hat über einen Bekannten davon erfahren.«
    »Danke für die Auskunft«, sagte Brunetti. »Und seit wann wohnen Signora Fontana und ihr Sohn in diesem Haus?«
    Ihr Blick wanderte zu einem der Bilder, das sich durch einen breiten gelben Streifen in der Mitte von den anderen unterschied, dann zu Brunetti. »Drei oder vier Jahre, glaube ich.« Jetzt lächelte sie nicht, aber ihre Miene wurde sanfter, entweder, weil sie beschlossen hatte, Brunetti zu mögen, oder einfach nur, weil er nicht weiter mit der Frage in sie drang, wie sie an die Wohnung gekommen waren.
    »Haben Sie die beiden gut gekannt?«
    »Nein, nein, nur so, wie man seine Nachbarn kennt«, sagte sie. »Man läuft sich im Treppenhaus oder unten im Hof über den Weg.«
    »Waren Sie mal bei ihnen in der Wohnung?«
    »Du liebe Zeit, nein«, sagte sie, offenbar schockiert von der Vorstellung. »Mein Mann ist Bankdirektor.«
    Brunetti nickte, als sei das die vernünftigste Antwort, die er je auf eine solche Frage gehört hatte.
    »Hat jemals jemand hier aus dem Haus oder aus der Nachbarschaft mit Ihnen über die beiden gesprochen?«
    »Über Signora Fontana und ihren Sohn?«, fragte sie, als sei bisher von ganz anderen Leuten die Rede gewesen.
    »Ja.«
    Sie sah nach einem anderen Bild, zwei kräftige rote Striche senkrecht durch

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