Auf und ab - Mord in Hellwege
Flugzeug war auch ein Viersitzer wie die Cessna, aber es war bei den Piloten als › schneller Hirsch ‹ bekannt. Das bestärkte Holtens Verdacht. Er hatte sich die Daten der Flüge notiert und mit den Einzahlungen auf Rieckers Konto verglichen. Sie stimmten genau überein, ohne Ausnahme. Schließlich hatte er von Wing die Kennungen der Maschinen bekommen und als Zugabe den Eigner. Diese Information hatte er als Fluglotse problemlos von den Kollegen in den Niederlanden durch einen einfachen Anruf erhalten. Die Maschinen waren gemietet gewesen, und zwar von der Flugzeugwerft, AERAM-Flight-Service, die am Flughafen Amsterdam ansässig war, zusätzlich gewerblich Flugzeuge vercharterte und darüber hinaus auch eine Flugschule betrieb.
Holten hatte sich daraufhin entschlossen, diesem Betrieb einen Besuch abzustatten, um so an nähere Informationen zu gelangen. Er würde natürlich fliegen, und er freute sich darauf, denn er hatte schon lange keinen Auslandsflug mehr gemacht, und Amsterdam stand bis jetzt noch nicht in seinem Flugbuch, in das er, wie alle Piloten, seine Flüge eintrug. Der Anflug auf diesen großen, viel beflogenen Flughafen reizte ihn sehr. Für den Rückweg hatte er aus Trainingszwecken einen Nachtflug nach Bremen geplant. Er hatte die Berechtigung für den Sichtflug bei Nacht, aber selten Gelegenheit, davon Gebrauch zu machen, weil sein Heimatflugplatz Weser-Wümme natürlich nicht für Nachtstarts und -landungen ausgerüstet war. Diese Nachtflüge waren immer eine recht umständliche Angelegenheit für ihn, weil er stets auf weiter entfernten, besser ausgerüsteten Plätzen starten und landen musste. Dieses Mal konnte er jedoch das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Nun musste er nur noch passables Wetter abwarten, und das stellte sich drei Tage später ein.
Die Wetterkarte hatte für die Nacht ein durchziehendes Tief angekündigt, und für den kommenden Tag war Rückseitenwetter zu erwarten. Das verhieß Sichten › von Pol zu Pol ‹ , mäßige Bewölkung mit ausreichenden Untergrenzen, vermutlich allerdings auch ziemlich starken Wind auf die Nase mit entsprechend längerer Flugzeit.
Am Sonntagabend fuhr er noch zum Flugplatz und hatte Glück, dass er sein Lieblingsflugzeug, die D-ELPA, für Montag noch chartern konnte.
Da jedoch das ausgesprochene Sommerwetter vorüber war, wurde unter der Woche nicht mehr viel geflogen. Er rief daher einen Flugleiterkollegen an, damit er am kommenden Morgen auch legal, also unter Aufsicht, starten konnte. Dann machte er sich an die Flugvorbereitung, zog Striche auf die Karten, suchte Anflugkarten und Funkfrequenzen heraus und packte seinen Pilotenkoffer mit allen nötigen Utensilien. Er war relativ schnell fertig damit, denn es war nicht das erste Mal, dass er einen größeren Flug plante oder ins Ausland flog, und er hatte schon mehr als tausend Stunden in seinem Flugbuch stehen.
Routine.
Auch für Susanne war das Ganze nichts Besonderes. Sie wusste, dass ihr Mann ein zuverlässiger und verantwortungsvoller Pilot war, und hatte sich an seine fliegerische Leidenschaft gewöhnt. Sie selbst flog allerdings selten mit, sie konnte dem Aufenthalt in luftiger Höhe nicht allzu viel abgewinnen, und manchmal, wenn ihr Pilot aus lauter Übermut ungewöhnliche Kurven und Schleifen flog, hatte sie sogar ein wenig Angst. Immer wieder, wenn er darüber lachte, erzählte sie die Geschichte, als Holten als junger, unerfahrener Pilot und, das musste er sich im Nachhinein eingestehen, schlecht vorbereitet, ihren Zielflugplatz nicht finden konnte und die Kinder auf den hinteren Sitzen wegen der ruppigen Luft das Frühstück wieder von sich gaben. Aber er hatte daraus gelernt.
Am nächsten Morgen war Holten früh um acht auf den Beinen. Er frühstückte ausgiebig, fühlte sich gut und freute sich auf den Tag, der ihm einige Stunden in der Luft bescheren würde.
Das Wetter hatte sich tatsächlich so entwickelt wie vorhergesagt. Das war nicht selbstverständlich, selbst in der heutigen Zeit mit all den modernen Geräten traute Holten den Metereologen nicht viel mehr zu als den alten Bauernregeln. Er war schon einige Male am Boden geblieben, weil die Flugwetterberatung keine Sichtflugbedingungen prognostiziert hatte, und hatte sich später über das hervorragende Flugwetter gewundert. Andererseits musste er auch schon einige Male auf irgendwelchen Ausweichplätzen landen, weil es trotz positiver Vorhersagen für ihn als Sichtflieger kein Durchkommen mehr gab.
Holten
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