Auf und ab - Mord in Hellwege
hatte sich für zehn Uhr mit dem Flugleiter am Platz verabredet. Er wollte um Viertel nach zehn › airborn ‹ sein, und vorher war noch einiges zu erledigen. Zunächst musste er telefonisch die aktuellen Wetterdaten erfragen, dann Kompasskurse und Flugzeiten errechnen und den Flugplan für den grenzüberschreitenden Flug aufgeben. Dann musste er rechtzeitig am Platz sein, weil er die Maschine allein aus dem Hangar holen, den Außencheck machen und womöglich noch tanken musste. Erfahrungsgemäß dauerte das seine Zeit.
Susanne nahm ihn zum Abschied in die Arme und küsste ihn.
»Komm heil wieder.«
Das sagte sie immer, wenn er einen größeren Flug geplant hatte.
»Du kennst mich doch.«
Holten startete den Wagen und winkte aus dem geöffneten Seitenfenster. Als er in den Rückspiegel blickte, war sie bereits von der Straße verschwunden.
Am Flugplatz parkte er den Wagen neben dem Hangar, und da der bestellte Flugleiter noch nicht eingetroffen war, konnte er in aller Ruhe seine Vorarbeiten erledigen. Danach setzte er sich oben in den Tower und wartete.
Von hier aus hatte er den toten Riecker entdeckt. Auf diesem Platz hatte jeden Dienstag auch Riecker gesessen und ein Flugzeug erwartet.
Der Verein hatte noch keinen neuen Platzwart gefunden, deshalb war das Fliegen an den Werktagen nicht mehr so einfach wie in der Zeit vor Rieckers Tod.
Schließlich kam sein Fliegerkamerad angehetzt.
»Entschuldige, Max, es ging nicht früher.«
»Macht nichts, ich hab’ die Bahn schon kontrolliert. Alles in Ordnung«, beruhigte ihn Holten.
»Ich lass’ den Vogel heute Nacht in Bremen, ich will eine Nachtlandung machen. Du musst also heute Abend nicht mehr kommen«, teilte er dem Flugleiter noch mit, als er die enge Wendeltreppe hinunterging.
»Wenn du morgen noch einmal Zeit hast, rufe ich dich an, damit du mich vormittags hier hereinlässt.«
»Ja, das kriegen wir wohl hin.«
Der Flugleiter kannte die Gepflogenheiten.
»Wo willst du überhaupt hin?«
»Ich geh’ nach Amsterdam.«
»Ja, gut«, und nachdem er sich den Windsack angesehen hatte:
»Nimm mal die Drei-Sechs.«
Damit meinte er, dass Holten mit seinem Flugzeug in Richtung 360° starten sollte.
Holten stieg in die Maschine, prüfte Motor und Instrumente und rollte zum Startpunkt. Er schob den Gashebel nach vorn, und nach einigen Augenblicken unangenehmen Holperns über die Graspiste schwebte er.
»Startzeit 16, guten Flug!«, verabschiedete ihn der Flugleiter.
»Danke, und ciao.«
› Hoffentlich ist Pauschen nicht zu Hause ‹ , dachte er schmunzelnd, als er mit fast voller Motorleistung im Steigflug hing und leicht nach links abdrehte. Aber eigentlich war er sicher, dass der seinen Start registriert hatte.
In zweitausend Fuß über dem Erdboden, der Mindesthöhe für den Reiseflug, levelte er die Maschine aus. Er flog gern in dieser Höhe, aus der man, bei entsprechender Sicht, noch viele Einzelheiten in der Landschaft erkennen konnte. Dies war einer der Gründe, aus denen er das Fliegen so liebte: Aus der Höhe hatte man Ansichten und Ausblicke, die man am Boden nie erleben konnte. Eigentlich wäre er gern noch etwas tiefer geflogen, aber das war leider verboten.
Er fühlte sich in der Luft immer im wahrsten Sinne des Wortes wie abgehoben.
Die Sicht war so gut wie selten, rechts die Nordsee, links das Weserbergland, und Holten genoss den Flug.
Er machte seine Startmeldung und nahm, nachdem er die Bremer Kontrollzone durchquert hatte, seinen Kurs auf. Alles lief wie geplant, selbst der Transponder schien wieder in Ordnung zu sein. Abmeldung Bremen Information, Anmeldung Dutch Mil, Abmeldung Dutch Mil, Anmeldung Amsterdam, Meldung Amsterdam Tower, Anflug, Landung auf der Zwei-Zwei.
Bei der Landung musste er ein wenig kämpfen, denn der Wind, direkt von der Seite, blies nicht gerade schwach. Aber gerade das war ein weiterer Grund, der ihn immer wieder in die Luft brachte: Der Kampf mit den Elementen, mit den widrigen Wetterumständen; wenn er durch exakte Navigation trotz kaum ausreichender Flugsicht das Ziel trotzdem genau erreichte oder bei starkem Wind von der Seite eine saubere Landung hinlegen konnte.
Alles in allem war es deshalb für ihn ein wunderbarer Flug.
Unterwegs hatte er sich Gedanken gemacht, wie er vorgehen sollte. Sich als Polizist auszugeben, kam nicht infrage, obwohl er aus Erfahrung wusste, dass die meisten Menschen sich scheuten, nach der Legitimation zu fragen. Aber zum einen war er nicht mehr im Polizeidienst, und zum
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