Auf und davon
goldenes Licht. Sie drohten den Kühen mit Zeltstangen. Das machte Spaß und
besserte ihre Laune. Julia vergaß, daß sie Angst vor den Tieren hatte, und
Nathan vergaß fast die Schmerzen in seinem Handgelenk. Als die langen
Morgenschatten zu ihren Füßen schon kürzer wurden, schoben sie endlich ihre
Räder zur Straße und machten sich wieder auf den Weg.
Wieder ging es über Landstraßen, immer
auf und ab. Hatten sie sich ächzend und stöhnend einen Berg hinaufgequält, lag
eine herrliche Abfahrt vor ihnen. Bergab fuhren sie, als seien ihren Fahrrädern
Flügel gewachsen — schnell und immer schneller, den Fahrtwind im Gesicht und
die Sonne warm auf dem Rücken. „Yippiii!“ rief Nathan, und Julia stimmte ein.
In einem winzigen Dorf, so hübsch, daß
es kaum echt sein konnte, fanden sie einen winzigen Laden. Sie kauften
Teebeutel und Milch, Cola und Brötchen, Chips und Konserven, die sie auf ihrem
Kocher warm machen konnten. Julia fiel ein, daß sie ja ein Buch wollte, mit dem
sie lesen lernen konnte, doch die einzige Lektüre in dem Laden waren
Romanheftchen, und die sahen aus, als lägen sie schon jahrelang im Regal. Auf
jedem Heftchen war ein Bild von einem gutaussehenden jungen Mann und einer
schmachtenden jungen Frau. Es waren unterschiedliche Geschichten, aber es
schienen immer dieselben Personen vorne abgebildet zu sein. Für Nathans
Geschmack sah keines der Heftchen interessant aus, aber Julia war so begierig
darauf, lesen zu lernen, daß sie alle drei kaufte.
Nathan fragte die Frau im Laden, wie
weit es noch bis Exmoor sei, und war enttäuscht, als er hörte, es seien noch
etwa zwanzig Meilen. Irgendwie schienen sie überhaupt nicht näher zu kommen.
Sie setzten sich in eine Einfahrt,
machten Picknick, und Julia schlief in der Sonne ein, so müde war sie nach den
beiden schlimmen Nächten. Nathan schlief nicht richtig, aber er fühlte sich
äußerst entspannt und zufrieden, und plötzlich merkte er, woran es lag: sein
Arm tat nicht mehr weh. Es war ein gutes Gefühl, keine Schmerzen mehr zu haben.
Als Julia endlich aufwachte, war es
mitten am Nachmittag, und Nathan war der Ansicht, sie sollten gleich anfangen,
nach einem Platz zum Zelten zu suchen.
Ihre Ansprüche waren inzwischen
gewachsen. Nun suchten sie nicht nur nach einer geschützten Wiese mit Wasser,
die Wiese mußte auch noch eben sein, und in diesem hügeligen Landstrich konnte
es leicht den ganzen restlichen Tag dauern, bis sie etwas Passendes gefunden
hatten. Sie wollten nicht bei einbrechender Dunkelheit dastehen und nicht wissen,
wo sie die Zelte aufstellen sollten.
Sie radelten jede Menge gewundener
Sträßchen ab, doch wie es schien, gab es nur entweder Bäche und keine ebenen
Wiesen oder einigermaßen ebene Wiesen und kein Wasser. „Da unten ist Wasser“,
sagte Nathan zum drittenmal.
„Aber der Boden ist wieder schrecklich
abschüssig“, widersprach Julia. „Wir kullern wieder die ganze Nacht herum. Ich
weiß was, Nathan. Wie wär’s denn mit dem Wäldchen da drüben?“
„Da ist kein Wasser.“
„Wir könnten es hinschaffen.“
„Von wo?“
„Von dem Bach, den wir gerade gesehen
haben.“
„Den ganzen Weg?“
„So weit ist es nicht.“
„Und worin transportieren wir es?“
Julia überlegte. „Wir haben den Topf
von unserem Herd, aber der ist nicht sehr groß. Ich weiß — wir nehmen die
Plastiktüte, in die die Frau im Laden unsere Einkäufe getan hat.“
Julia hatte zweifellos eine Menge
praktischer Ideen.
Sie waren nun auf gleicher Höhe mit dem
Wäldchen, das nicht weit von der Straße entfernt lag. Der Boden schien eben zu
sein, zumindest ein Stück, bevor er unvermeidlich zum nächsten Tal hin abfiel.
Sie fanden ein Gatter und schoben ihre Räder über die Wiese zum Wald. Die Wiese
war vor kurzem gemäht worden, und das Gras lag jetzt zum Trocknen ausgestreut.
Es roch herrlich, süß und nach Sommer. Im Wald war der Boden hart und trocken
und mit spitzen Zweigen übersät. „Paß auf“, warnte Julia, „das gibt leicht
einen Plattfuß.“
Sie fanden ein passendes Plätzchen
zwischen den Bäumen und begannen, ihre Campingsachen auszupacken. Das
Aufstellen der Zelte ging schon viel besser, obwohl der Boden sehr hart war und
die Heringe sich nicht so leicht einschlagen ließen. Sie hatten die Zweige alle
weggeräumt, doch Julia war der Boden entschieden zu hart, um darauf zu
schlafen. Sie ging zurück auf die Wiese und kam mit einem Armvoll Heu zurück,
das sie unter ihren Zeltboden
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