Auf und davon
Hautfarbe.“
„Ich bin adoptiert.“
„Wo sind eure Eltern?“
„Das sag ich dir nicht.“
„Hallo. Bist du seine Schwester?“
„Ja“, antwortete Julia müde. Daß sie
einen Besucher hatten, freute sie ganz und gar nicht.
„Wie heißt du?“
„Ju — Beverley. Und du?“
„Elizabeth. Ich wohne hier. Auf dem Hof.“
„Hat jemand was dagegen, wenn wir hier
zelten?“ fragte Julia ängstlich.
„Ich nicht, aber mein Vater hätte
sicher was dagegen, wenn er es wüßte. Er kommt aber nur ganz selten hierher.
Hier komme nur ich her. Es ist mein geheimer Platz.“
„Ich hatte in London auch einen
geheimen Platz“, erzählte Nathan, ohne es zu wollen. „Es war ein leerstehendes
Haus.“
„Dann wohnt ihr also dort? In London?“
Nathan schwieg. Er hatte schon zuviel
gesagt.
„Sind eure Eltern in London? Und sie
haben euch ganz allein hierher kommen lassen, den ganzen Weg?“
„Unsere Eltern sind in Watchet“, sagte
Julia.
„Auf dem Lorna-Doone-Campingplatz“,
ergänzte Nathan. „Wir sind hier nur für ein paar Tage allein.“
Elizabeth schwieg. Sie schien sich über
irgendwas zu freuen. „Ich glaub euch nicht“, sagte sie schließlich.
„Dann tu’s eben nicht“, meinte Nathan
beleidigt.
„Ich glaube, ihr seid abgehauen.“
„Sind wir nicht“, widersprach Nathan. „Wir
sind nicht abgehauen. Das im Fernsehen waren wir nicht, das waren zwei andere
Kinder.“
„Ihr wart im Fernsehen? Ich sehe nicht
oft fern. Ich bin in einem Internat, und abends müssen wir immer schrecklich
viele Hausaufgaben machen. Gott sei Dank sind jetzt Ferien.“
„Im Internat?“ fragte Julia entsetzt. „Hast
du was Schlimmes angestellt?“
„Etwas Schlimmes? Natürlich nicht. Ach,
jetzt weiß ich, was du meinst. Nein, ich bin nicht auf dieser Art von Internat.
Aber ihr seid abgehauen, stimmt’s? Ihr könnt es mir ruhig sagen. Ihr könnt mir
vertrauen. Ich hau auch ständig ab. Ich bin bestimmt schon fünfhundertmal abgehauen.“
„So oft?“ fragte Julia überrascht.
„Na ja, fünfmal. Dreimal von daheim und
zweimal von der Schule. Wie lang seid ihr schon von zu Hause weg?“ Zwecklos, es
länger zu leugnen. Diesem Fragenhagel widerstehen zu wollen, war wie der
Versuch, Wasser den Berg hochzuschieben.
Julia schaute Nathan an. Mit einem
widerwilligen Schulterzucken gab er sein Einverständnis. Sein Gesicht war wie
ein Gewitter.
„Ich weiß nicht mehr“, antwortete
Julia. „Sehr lang.“ Ihr kam es tatsächlich vor wie eine halbe Ewigkeit. „Eineinhalb
Wochen, glaube ich.“
„Tatsächlich? Dann seid ihr aber gut.
Die längste Zeit, die ich weg war, waren sechs Tage. Irgendwann finden sie euch
aber, das ist ja klar. Oder ihr geht freiwillig zurück.“
„Ich geh nicht zurück“, sagte Nathan. „Wir
gehen nie zurück. Nicht wahr, Jule? Uns gefällt es hier.“ Er wollte nicht über
die Zukunft reden. Ein Tag nach dem anderen war genug. „Warum läufst du
eigentlich weg?“
„Ach, darum und darum“, wich Elizabeth
aus. „Wenn ich Krach mit meiner Schwester habe oder wenn ich in der Schule
nachsitzen muß. Und ihr?“
„Was meinst du?“
„Ihr wißt genau, was ich meine. Warum
seid ihr abgehauen?“
„Wegen nichts. Wir wollten einfach.“
„Und wie steht’s mit Geld? Wie kommt
ihr da zurecht?“
„Wir haben Geld.“
„Geklaut?“
„Nein.“
„Wie seid ihr dann dazu gekommen?“
„Das verrate ich nicht“, sagte Nathan.
„Okay... Sind das eure Fahrräder? Sie
sind neu, stimmt’s? Hmmm... sehr schön. Oh, das hier hat einen Plattfuß.“
„Ich weiß, ich weiß“, erwiderte Nathan
wütend. „Warum kümmerst du dich nicht um deine eigenen Sachen?“
„Einen Plattfuß?“ fragte Julia. „Warum
hast du mir das nicht gesagt?“
„Könnt ihr flicken?“ fragte Elizabeth.
„Nein“, sagte Nathan.
„Was machen wir jetzt?“ jammerte Julia.
„Ich flicke es euch“, bot Elizabeth an.
„Wirklich?“ Nathan konnte nicht
glauben, daß sie das ernst gemeint hatte.
„Vielen Dank“, sagte Julia.
„Von Technik verstehe ich eine ganze
Menge“, erwiderte Elizabeth. „Da kenne ich mich aus. Wenn ich fertig bin mit
der Schule, werd ich wahrscheinlich Ingenieurin.“
„Wann machst du es?“ Nathan traute ihr
noch nicht ganz.
„Heute abend nicht mehr. Es sei denn,
ihr habt Flickzeug hier. Habt ihr welches?“
„Nein.“
„Dann muß ich meines mitbringen. Ich
komme morgen früh wieder, okay? Morgen nach dem Frühstück.“
„Aber du sagst niemand,
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