Auf und davon
sehen,
aber Julia war sichtlich begeistert. Und beim Näherkommen war auch Nathan froh,
daß er nicht früher aufgegeben hatte, denn dort, direkt neben dem Bach, war
eine ebene Stelle, sandig und gerade groß genug für ein kleines Zelt. Und
hinter einem Farn an der nächsten Flußbiegung war noch eine ebene Stelle für
das zweite Zelt.
„Super!“ Nathan ließ sein Fahrrad
fallen und lächelte.
„Bist du müde?“ fragte Julia.
„Was glaubst du?“
„Okay“, sagte Julia, „du hast mein Rad
den Berg hochgeschoben. Ich ruh mich jetzt ein bißchen mit dir aus, und dann
stelle ich beide Zelte auf.“
„Mußt du nicht.“ Nathan protestierte
nicht sehr heftig.
„Es macht mir nichts aus. Mir gefällt
es hier. Ich glaube, das hier wird unser Zuhause.“
Ein Polizeiauto aus Minehead war gekommen,
und eine Frau und ein Mann in Uniform durchsuchten das Gebüsch auf den steil
zum Meer hin abfallenden Klippen unterhalb des Campingplatzes in der Nähe von
Watchet. Sie wußten nicht, wonach sie suchten, doch der Mann mit der Glatze und
seine Frau hatten gesagt, daß die beiden blinden Passagiere dorthin gerannt
seien, und es war immerhin möglich, daß sie dabei irgend etwas verloren hatten.
Es dauerte nicht lang, bis sie Julias
Strandtasche entdeckten. In der Tasche waren zwei Blusen, der geschlitzte Rock,
die Sandalen mit dem kleinen Absatz, das zerrissene und mit Klebestreifen
geflickte Kleid und — ein Anorak. Und im Kragen dieses Anoraks war ein mit
wasserfester Tinte beschriftetes Namensschild eingenäht. J. WINTER stand
darauf.
„Sie ist es tatsächlich“, sagte die
Polizistin. „Sie war hier.“
„Vor sechs Tagen“, bemerkte ihr
Kollege. „Wer weiß, wo sie sich inzwischen herumtreiben.“
„Wir konnten das ja nicht wissen“,
verteidigte sich der Mann mit der Glatze, als er hörte, was die Polizei
gefunden hatte. „Ich hab’s dir gesagt“, meinte seine Frau.
„Laß gut sein, Mutter“, wehrte der Mann
mit der Glatze ab. „Jeder macht mal Fehler.“
15.
Vom Unwetter
überrascht
Die Polizei hatte den jungen Mann in
dem Lebensmittelgeschäft ausfindig gemacht, der Julia und Nathan zum Zeitkauf
nach Taunton geschickt hatte.
„Ich wußte, daß da was nicht stimmt“,
sagte er. „Zwei Kinder allein, die eine Campingausrüstung kaufen wollen.
Außerdem wußten sie anscheinend nicht, wo sie waren. Hatten noch nie was von
Taunton gehört. Ich hab also zu Frau Naseweis gesagt...“
„Frau Naseweis?“
„Ihren richtigen Namen kenne ich nicht.
Wir nennen sie Frau Naseweis — Sie können sich ja denken, weshalb. Jedenfalls
hat die gesagt, das seien die Kinder aus London. Sie ist ihnen nachgegangen bis
zur Bushaltestelle. Dann kam sie aber zurück und meinte, sie seien es doch
nicht. Sie machten mit ihren Eltern im Wohnwagen Ferien, auf dem
Lorna-Doone-Campingplatz, hat sie gesagt. Für sie war die Sache damit erledigt.“
„Wissen Sie, wo wir diese Frau Naseweis
finden können?“
„Keine Ahnung. Sie war jetzt schon seit
ein paar Tagen nicht mehr im Laden. Sie ist nicht von hier, macht nur Urlaub.
Wahrscheinlich ist sie wieder nach Hause gefahren. Ich kann aber mit Sicherheit
sagen, daß die Kinder nach Taunton gefahren sind. Frau Naseweis hat sie in den
Bus einsteigen sehen.“
„Danke, das hilft uns weiter. Zumindest
ist es eine Spur.“
„Hoffentlich finden Sie sie, die armen
Teufel.“
„Bestimmt, ganz bestimmt.“
Die nächsten Tage waren sowohl für
Nathan als auch für Julia die glücklichsten in ihrem ganzen bisherigen Leben.
Das Wetter war herrlich, die Welt der Erwachsenen weit weg.
Die meiste Zeit über gingen sie
getrennte Wege. Nathan wanderte übers Moor, sammelte Erika und Farnkraut für
die Betten und träumte sich in phantastische Geschichten, die er später
vielleicht einmal aufschreiben wollte, falls er je seine Brille wiederbekam.
Julia spielte das Hausmütterchen und übte lesen.
Am Abend des dritten Tages sahen sie
auf einem Hügel drei Rehe stehen, die sich scharf gegen den Himmel
abzeichneten. Nathan erzählte Julia, daß Leute die Exmoor-Rehe jagten. Ganze
Jagdgesellschaften mit Pferden und Hunden seien hinter ihnen her. Zuerst
glaubte Julia ihm nicht. Kein Mensch konnte so grausam sein. Nathan erzählte
auch von wilden Ponys, die es im Moor noch geben sollte.
Am vierten Tag war auch der
Ersatz-Gaszylinder für den Campingherd leer. Zur gleichen Zeit gingen ihnen die
Streichhölzer aus.
„Ich könnte ein richtiges Feuer
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