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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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hätte er denn tun sollen? Sie würde
sich schon wieder einkriegen. Er achtete nicht auf ihr Jammern und schob los.
     
    Auf einem Campingplatz nicht weit von
Watchet trank ein älterer Herr mit Glatze eine Tasse Tee und versuchte, nicht
auf die nörgelnde Stimme seiner Frau zu achten.
    „Ich bin dafür, daß wir zur Polizei
gehen“, sagte sie.
    „Ach, Mutter, laß es doch gut sein. Es
ist jetzt fast eine Woche her.“
    „Ja, wir hätten gleich gehen sollen,
gleich, als es passierte.“
    „Sind wir aber nicht. Woher hätten wir
es denn auch wissen sollen?“
    „Wir wußten, daß sie sich in unserem
Wohnwagen versteckt hatten. Wir wußten, daß sie seit Brighton mit uns gefahren
waren. Wir haben gesehen, daß es zwei Kinder waren, als sie ins Gebüsch
davongerannt sind.“
    „Wir sind im Urlaub. Man kann uns doch
nicht für anderer Leute Kinder verantwortlich machen.“
    „Aber angenommen, es waren tatsächlich
die beiden Kinder aus London. In der Zeitung steht, daß sie immer noch vermißt
werden. Wir hätten der Polizei helfen können, sie zu finden.“
    „Die beiden können es nicht sein. So
einen Zufall kann es nicht geben.“
    „Warum nicht? Irgendwo müssen sie ja
sein. Ich bin dafür, daß wir zur Polizei gehen. Heute noch.“
    „Okay, okay, was tut man nicht alles,
damit man seine Ruhe hat. Wir nehmen den Wagen und fahren nach Minehead. Dort
muß es ja eine Polizeistation geben. Komm, hol deine Jacke, wir fahren gleich
und bringen es hinter uns.“

 
    14.
     

Im Moor
     
     
     
    Mit tief gesenktem Kopf schob Nathan sein
Fahrrad den Berg hinauf. Er hatte nur die Straße im Blick und von Zeit zu Zeit
kurz die Böschung auf beiden Seiten. Als er merkte, daß es weniger steil wurde,
schaute er auf. Aber das war nicht das Moor, so hatte es im Fernsehen nicht
ausgesehen. Bevor er zu Julia zurückging, wollte er ins richtige Moor.
    Ein Stück weiter vorn war eine Art
Metallgitter in die Straße eingelassen. Nathan schepperte mit dem Rad darüber
und schaute wieder auf. Immer noch Hecken zu beiden Seiten. Das konnte nicht
das Moor sein. Er schob weiter, rannte fast mit dem Rad. Ein kleines Stück
weiter, nur noch ein kleines Stück weiter. Die dumme Julia würde sich zwar ins
Hemd machen, aber sie konnte warten.
    Und endlich lag es vor ihm. Und es war
besser als in dem Buch von Lorna Doone, besser als in der Sendung im Fernsehen,
besser als alles, was Nathan je in seinem Leben gesehen hatte, ausgenommen
vielleicht das Meer bei Brighton. Wenn er doch die Brille noch gehabt hätte,
mit der hätte er alles noch viel besser sehen können! Aber er sah es auch so!
    Er sah einen großen, sich wellenden
Teppich in Grün und Lila, der sich um ihn herum ausbreitete bis in die
verschwommene Ferne. Er sah das Meer, weit unten. „Schau dir das an!“ sagte er
laut. „Und da!“ Er lehnte sein Fahrrad an die Böschung und tanzte los, müde,
wie er war, und ganz allein im Moor, wo ihn niemand sehen und für verrückt
halten konnte.
    Wenn Julia das sieht! Wenn das alte
Rattengesicht sieht, wo wir heute nacht zelten! Dann sagt sie nicht mehr, daß
es ihr leid tut, daß sie den Berg raufgekommen ist.
    Nathan machte sich auf den Rückweg.
    Als er sich Julia näherte, sah er, daß
sie irgend etwas in der Hecke neben der Straße aufmerksam beobachtete. Sobald
sie ihn kommen sah, ließ sie den Kopf hängen und sah wieder unglücklich und
verlassen aus, doch diesmal war es ganz offensichtlich nur Schau.
    „Das ist ein Vogel, der gerade das
Fliegen lernt“, sagte Nathan, als er erkannte, was sie beobachtet hatte.
    „Ach ja?“ Julia versuchte unbeteiligt
zu klingen, doch in Wahrheit war sie so froh, ihn zu sehen.
    „Ja, er ist noch ganz jung.“
    „Ich hab gedacht, er ist vielleicht
verletzt.“
    „Nein — er ist okay. Jule, es ist super
da oben! Warte nur, bis du es siehst. Einfach super!“
    Nathan packte Julias Fahrrad und schob
es im Zickzack den Berg hoch. Jetzt, wo er wußte, was ihn oben erwartete,
schien es viel leichter zu gehen.
    Julia folgte ihm fast fröhlich. Oben
angekommen, schaute sie sich um. „Meine Güte!“ rief sie. „Ist das schön.“
    „Es ist mehr als schön, Jule.“
    „Was ist das lila Zeug?“
    „Heidekraut.“
    Julia berührte die Pflanzen mit der Hand.
„Das gibt bestimmt eine gute Matratze ab.“
    Sie stiegen auf die Räder und fuhren
los, vorsichtig zuerst wegen der schweren Ladung, aber zunehmend sicherer. Es
war immer noch recht früh am Tag und weit und breit kein Mensch zu

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