Auf und davon
auslöschte.
In diesem Augenblick donnerte es.
Normalerweise hatte Julia kaum Angst
vor Gewitter. Daheim in London, in den eigenen vier Wänden und mit anderen
Menschen in der Nähe war es nicht schwer, tapfer zu sein. Aber hier, ganz
allein mitten im Moor und nur mit einem dünnen Stoffdach zwischen sich und den
wütenden Elementen, fühlte sie sich doch etwas unwohl. Bald hatte sie
schreckliche Angst. Es regnete inzwischen in Strömen. Die Tropfen trommelten
direkt über ihrem Kopf aufs Zeltdach. Wie Gewehrkugeln schlugen sie auf den
Boden vor dem Zelt, prallten ab und trafen ihre Beine und sogar ihr Gesicht.
Sie versuchte, ihnen auszuweichen, indem sie sich tiefer ins Zelt zurückzog.
Viel zu spät krabbelte sie wieder nach vorn, um die Zeltöffnung zu schließen.
Das Fußteil ihres Schlafsacks war bereits klatschnaß, und überall da, wo sie
beim Herumgeistern mit dem Kopf gegen das Zeltdach stieß, kam die Feuchtigkeit
durch. Draußen zerrissen Blitze den Himmel. Jeder erhellte für einen Moment das
Zeltinnere, bevor es für einen Sommernachmittag wieder unnatürlich dunkel wurde
und der Donner wie ein Kanonenschlag explodierte. Julia hielt sich die Ohren zu
und drückte das Gesicht in den Schlafsack, um nichts mehr hören und sehen zu
müssen, bis das Unwetter vorbei war.
Als es schließlich wieder ruhiger
wurde, setzte sie sich auf und schaute sich um, um den Schaden einzuschätzen.
Nach all dem Getöse hätte sie Schlimmeres erwartet. Das Fußteil ihres
Schlafsacks war zwar naß, aber sonst wies ihr Bett nur wenige nasse Flecken
auf, die in der Sonne bald trocknen würden. Der Stapel sauberer Wäsche in einer
Ecke des Zeltes war zum Glück mit ihrem Anorak abgedeckt gewesen. Der Anorak
war naß, aber die Kleider darunter waren trocken.
Einsamkeit und Angst machten Julia
immer noch zu schaffen. „Nathan, komm zurück!“ bat sie laut, auch wenn er es
natürlich nicht hören konnte.
Plötzlich fiel ihr sein Zelt ein. Sie
hatte seine Kleider am Morgen sauber zusammengefaltet, doch zum Zudecken hatte
sie nichts gehabt, da Nathan sich seinen Anorak mit dem Geld im Futter wie
üblich an den Ärmeln um die Taille gebunden hatte, als er ging. Daß das Zelt
weit offen stand, wußte sie. Sie hatte es zum Lüften extra offengelassen, damit
es schön frisch war, wenn er zurückkam.
Sie öffnete den Reißverschluß an ihrem
Zelt und lugte hinaus. Der Himmel war immer noch dunkel, und das Gewitter
grollte noch um die Berge in der Ferne und drohte zurückzukommen. Aber es hatte
fast aufgehört zu regnen. Julia kroch hinaus und lief zu Nathans Zelt. Ohne
hineinzuschauen schloß sie es schnell. Wenn die Sachen drinnen naß waren, waren
sie eben naß, das ließ sich nicht ändern, zumindest nicht, bevor die Sonne
wieder schien.
Die Donnerschläge wurden wieder lauter,
das Gewitter kam tatsächlich zurück. Julia lief zu ihrem Zelt, jammerte und
schluchzte laut und tat sich ganz schrecklich leid. Wo war bloß Nathan? Warum
brauchte er so lange? Er mußte doch wissen, daß sie ganz allein war und Angst
hatte. Er mußte sich doch beeilen, wenn er wußte, daß sie bei diesem Unwetter
ganz allein war! Erst als der Regen wieder richtig einsetzte und sie über allen
anderen Geräuschen den Bach rauschen hörte, als sei er inzwischen zum mächtigen
Strom geworden, kam ihr der Gedanke: Nathan — er würde pitschnaß werden! Ungefähr
zwei Minuten dachte sie an ihn, dann schien die Welt um sie herum wieder
zusammenzustürzen.
Am frühen Abend kam Nathan zurück. Der
Regen hatte aufgehört, und Julia war auf den Hügel gestiegen, um nach ihm
Ausschau zu halten. Als sie ihn kommen sah, hüpfte ihr Herz vor Freude und
Erleichterung. Sie lief ihm entgegen und hätte ihn fast in den Arm genommen,
als er vom Rad stieg. Sie tat es nicht — Nathan hätte das bestimmt nicht gern
gehabt, und außerdem war er viel zu naß.
Er sah aus wie eine nasse Ratte, die
Kleider klebten ihm am Leib, und seine Schuhe quietschten beim Gehen vor
Feuchtigkeit. Aber er war daheim, und das war die Hauptsache. Und Julia hatte
den Eindruck, als habe er Vorräte für vierzehn Tage mitgebracht. Wie er es
geschafft hatte, das Rad mit all dem Gewicht den Porlock-Berg heraufzuschieben,
würde ihr für immer ein Rätsel bleiben. Sie war voller Dankbarkeit und
Bewunderung für ihn, half ihm, das Fahrrad den Hügel hinunterzumanövrieren, und
konnte nicht genug für ihn tun. Sie lieh ihm ihren Anorak und ihr zweites
T-Shirt und hätte ihm auch ein Paar Jeans
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