Auf vier Pfoten nach Santiago: Mit dem Hund auf dem Jakobsweg (German Edition)
schauen uns aber auch noch die bereits reservierte Pension an; allerdings möchten die fünfzig Euro für das Zimmer, was uns absolut zu viel ist. Deshalb sagen wir ab und gehen zurück zur Herberge. Dort bekommen wir das Ganze zum halben Preis inclusive Frühstück, und das mit Bobby im Innenhof wird schon klappen. Eine Frau geht im Flur an mir vorbei und hat Wäschestücke zum Waschen dabei. Ich frage sie, ob ich ein paar Sachen von uns mitwaschen darf. Natürlich sei das kein Problem, ich solle diese bringen und wir teilen uns die Waschmaschinen- und Trocknerkosten. Die Herberge ist liebevoll und gemütlich eingerichtet. Erst duschen wir und dann ruhen wir uns im Innenhof aus. Es sind viele nette Pilger hier. Auch Kerstin ist hier und Harald ist auch gerade angekommen, er ist heute total am Ende und kann fast nicht mehr. Unter anderem lernen wir Gisela und deren Tochter Christine kennen. Gisela ist Anfang siebzig,Christine um die fünfzig und hat Familie, die beiden pilgern zusammen. Gisela erzählt, dass sie ihren Sohn verloren hat, Christines Bruder, und dass keine von beiden den Tod irgendwie verarbeitet hat. Es wurde nie richtig darüber gesprochen zu Hause, eventuell gelingt ihnen das auf dem Weg, so hofft sie. Ich wünsche es ihr.
Jeder Mensch, der hier unterwegs ist, hat andere Beweggründe, warum er das macht. Auf jeden Fall kann ich sagen, man hat unheimlich viel Zeit den ganzen Tag über sich Gedanken zu machen, über sein eigenes Leben und über die Dinge, die einen umtreiben. Und mit jedem Tag mehr, den man unterwegs ist, bekommt man einen größeren Abstand zu den unwichtigen Sachen, die den lästigen Alltag ausmachen. Nach einer gewissen Zeit sind auf dem Weg nur noch die elementaren Dinge wichtig, wie Essen, Trinken, Schlafen, die Füße und die Unterkunft. Man lebt mit den paar Dingen, die man im Rucksack hat, braucht keinen Föhn, keine Schminke und freut sich einfach über eine Dusche. Diese Einfachheit möchte ich ein wenig in meinen Alltag zu Hause hinüberretten, denke ich mir.
Gisela erzählt, sie wolle eigentlich mehr gehen am Tag, aber Christine würde das nicht schaffen. Sie hat Probleme mit den Füßen und so müssten sie ab und zu mal mit dem Bus fahren. Als wir sie später wieder treffen, werden mir die Fußprobleme schnell klar. Die Wanderschuhe von Christine wiegen ungefähr drei Kilo. Es sieht bei jedem Schritt aus, als hebe sie einen Betonklotz vom Boden weg. Diese Schuhe würde ich gleich wegwerfen, denke ich bei mir, und frage sie, ob das kein Problem für sie sei. Das mache ihr nichts aus, antwortete sie darauf. Rainer sagt mir später, dass auch er dachte, mit diesen Schuhen kann das absolut nichts werden.
An diesem Abend gehen wir noch mit Roland in ein nahegelegenes Lokal und essen das Pilgermenü. Er erzählt uns, dass er den Weg eigentlich auch am Stück gehenwollte, allerdings geht das nicht, da ihm sein Arbeitgeber nicht so lange freigeben kann. Jetzt geht er nur bis León, dann fährt er für vier Wochen nach Hause zum Arbeiten. Danach geht er dann ab León, eventuell zusammen mit seiner Frau, die Strecke bis Santiago. Da haben wir Glück, dass es bei uns so gut geklappt hat mit dem Urlaub nehmen. Das war schon ein großer Wunsch von uns beiden, den Weg möglichst an einem Stück durchzugehen. Aber für Roland ist das in Ordnung, er könne es ja eh nicht ändern, meint er. Wir genießen zusammen das Essen, es schmeckt wieder sehr gut. Für Bobby nehmen wir noch Fleischreste mit, die er in der Herberge sofort verschlingt und noch seine Ration Trockenfutter dazu. Er legt sich brav auf seine Isomatte, wo er heute seine Nacht alleine als Wachhund im Innenhof verbringen muss. Wir gehen hoch in unser Zimmer, wo zwei Stockbetten stehen, im anderen schlafen zwei spanische Brüder, die in Frankreich leben. Der eine schnarcht jetzt schon ganz schön laut! Mal sehen wie die Nacht wird.
Nach einigen Einschlafschwierigkeiten übermannte uns dann doch der Schlaf und wir konnten uns erholen. Heute haben wir eine Etappe von neunundzwanzig Kilometern vor uns, deshalb stehen wir zeitig auf. Wir frühstücken in der Herberge zusammen mit anderen Pilgern. Auf dem Tisch sind verschiedene Lebensmittel, unter anderem ein Camembert. Ich frage einen Pilger aus Polen, ob er mir den Käse bitte geben kann. Ich bestreiche damit genüsslich ein Brot und mache noch Marmelade obendrauf, diese Kombination ist mein Lieblingsfrühstück. Danach stellt sich heraus, dass der Käse dem Mann privat
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