Auf vier Pfoten nach Santiago: Mit dem Hund auf dem Jakobsweg (German Edition)
einzige Kneipe in Ventosa. Dort sind zwei nette Wirtinnen, es ist geschmackvoll eingerichtet und hat einen schönen Garten. Schade, dass man sich nicht raussitzen kann. Bobby muss draußen im Garten bleiben. Wir sitzen direkt am großen Fenster und er kann uns sehen. Wir essen ein sehr gutes Pilgermenü aus Pasta, Spareribs, Fisch und Nachtisch. Jorge kommt auch noch dazu und wir unterhalten uns mit ihm. Uns ist aufgefallen, dass er immer sehr viel telefoniert, auch unterwegs beim Gehen. Wir fragen ihn, ob er das Telefon nicht einmal abschalten wolle, damit er mal zur Ruhe kommt. Dann erzählt er uns, dass er eine Organisation, zusammen mit zwei Freunden, in Peru gegründet hat, die sich um Frauen und ihre Kinder, denen Gewalt angetan wurde oder Vergewaltigungen hinter sich haben, kümmert. Bei einem Trip durch das Land haben die Männer das Elend dort gesehen und sich entschlossen, diese Organisation zu gründen, sobald sie wieder zu Hause sind. Dort können die Frauen wohnen und werden unterstützt, natürlich über Spendengelder. Er ist derPräsident und muss sich deshalb um vieles kümmern. Er erzählt uns auch noch, dass er geschieden ist und zwei Söhne hat, und immer einen Drang verspürt zu helfen, wo Not am Mann ist. Ein guter Mensch, denke ich und frage ihn nach dem Namen der Organisation. Wir nehmen uns vor, auch etwas zu spenden, wenn wir daheim sind.
Auf dem Rückweg in die Herberge sprechen wir über seine Knieprobleme und dass er auch einige Blasen hat. Dort angekommen gebe ich ihm ein Comped-Pflaster und meine Hirschtalgsalbe, die er dankend benutzt. Außer ihm sind noch zwei Kanadier und zwei junge Spanier mit im Zimmer. Einer der Kanadier ist schon seit 32 Tagen unterwegs und hat jetzt die erste Blase bekommen. Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass man nach dieser Zeit noch Blasen bekommt, da ist man doch eingelaufen, sage ich. Bobby muss wieder in seinen Heizraum und beginnt gleich zu fressen, die Damen aus der Kneipe haben ihm einige Reste eingepackt, die er gierig hinunterschlingt. Als wir gegen halb zehn in das Zimmer kommen, schnarcht Kanada schon sehr laut. Kurz darauf, als wir im Bett liegen, kommen die jungen Spanier dazu. Alle versuchen zu schlafen, doch jetzt schnarchen schon drei Leute aus vollem Hals. Die Spanier und ich unterhalten uns noch ein wenig im Dunkeln und lachen über die Roncadores (Schnarcher). Auch im Nebenzimmer wird viel gelacht, was das Einschlafen wirklich schwer macht. Irgendwann klappt es aber dann doch noch.
Der erste Pilgeralarm beginnt um halb sechs mit Packen und Tütenrascheln. Noch ein bisschen hin- und herdrehen, dann stehen wir auch auf. Heute ist Christi Himmelfahrt, Vatertag, sagt man bei uns auch. Im hauseigenen Shop kann man Lebensmittel für das Frühstück besorgen, das man in der Küche dann zubereiten und einnehmen kann. Außerdem entdecke ich dort eine kleine Pilgermuschel für Bobbys Halsband, die ich sofort kaufe. In der Kücheherrscht schon reger Betrieb. Ein Blick nach draußen zeigt uns wieder Bindfadenregen. Wir machen heute Spiegeleier und lassen uns vom Wetter nicht entmutigen. Jorge kommt auch in die Küche und isst bei uns mit. Gegen acht verlassen wir die Herberge, nachdem wir Bobby aus seinem Heizraum befreit haben. Er freut sich, uns wieder bei sich zu haben. Mit Schildkappe und Kapuze drüber, und mit kompletter Regenmontur, brechen wir auf. Jorge kommt ebenfalls nach draußen und ich schaue zufällig auf seine Wanderschuhe. Mich trifft fast der Schlag und ich frage ihn: „Was hast Du gemacht?“, und zeige auf ein großes Loch oberhalb seines kleinen Zehs. „Das habe ich aufgeschnitten, damit der Zeh mehr Platz hat und wegen der Blase.“ Bei dem Regen bekommt er in nullkommanichts komplett durchnässte Füße, was das Gehen enorm erschwert und noch mehr Blasen nach sich zieht. Das geht nicht lange gut, denke ich. Wir gehen los, es läuft erstaunlich gut, trotz der total vermatschten Wege. Aber nach kurzer Zeit hängen wir Jorge ab, der uns hinterherruft, wir sollen ruhig weitergehen, was wir dann auch machen. Nach guten zehn Kilometern erreichen wir gegen zehn Uhr die Stadt Najera.
Dort gibt es viele Möbelgeschäfte und Schreinereien. Ich denke an meinen Bruder, der auch so ein Holzwurm ist und eine Werkstatt hat. Für ihn mache ich ein Foto, das die Stadt als „Capital del Muebles“ vorstellt. Es schüttet noch immer und es ist wieder arschkalt, aber unsere Ausrüstung ist echt klasse. Wir kaufen Wasser und ein paar Nüsse.
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