Auf vier Pfoten nach Santiago: Mit dem Hund auf dem Jakobsweg (German Edition)
der schon in der Hütte des Spaniers ist. Vor dem Lokal, das ebenfalls einen schönen Garten hat, trinken wir noch etwas.
Unterdessen holt Rainer Bobby nochmal zu uns, er freut sich riesig über seine Leckerbissen. Es wird zunehmendkälter und windiger, deshalb gehen wir direkt in die Herberge neben dem Lokal und unterhalten uns dort noch; Rainer und Olga sind gut drauf. Mit dabei ist auch Jane, eine Engländerin, deren Sohn vor einem halben Jahr an einer Überdosis Drogen gestorben ist. Zurück in unserer Herberge unterhalten wir uns noch lange über die verschiedenen Lebensgeschichten von uns allen. Saskia hat tolle Adoptiveltern, trotzdem ist sie auf der Suche nach ihren Wurzeln und ist deshalb auf den Jakobsweg gegangen. Olga braucht Abstand zu ihrer Familie, da sie seit Jahren sehr eingespannt ist durch die Behinderung ihres Sohnes. „Wenn ich fünfzig bin, gehe ich auf den Jakobsweg. Den Traum erfülle ich mir, da bin ich mal ganz für mich.“ Das hat sie jetzt gemacht. Und Jane berichtet, dass sie jeden Morgen die ersten Kilometer der Etappen um ihren Sohn weint, so verarbeitet sie ihre Trauer auf dem Weg. So hat jeder „sein Päckle“ zu tragen, denke ich. Es ist wieder fast zwölf als wir durch den Garten in unseren „Stall“ gehen und es ist schweinekalt. Es bläst ein eisiger Wind, wie beim Skifahren. Olga hat eine ganz dünne Matratze, deshalb überlasse ich ihr meine und lege mich zu Rainer; der hat eine etwas breitere ergattert, und auch weil ich friere wie ein Schneider. Die anderen Pilger liegen schon in ihren Schlafsäcken, manche schnarchen. Ohne die Zähne noch zu putzen und in voller Montur kriechen wir in unseren Schlafsack, Rainer hat mir seinen überlassen und wir nehmen noch zwei vorhandene Wolldecken um uns zuzudecken, sonst erfrieren wir heute Nacht noch.
Um halb sieben werden wir mit leiser Musik ganz behutsam geweckt, das ist aber mal angenehm. Etwas früher haben die ersten schon zusammengepackt und sind gegangen, das war nicht zu überhören. Vorne in der Herberge gibt es Müsli und selbstgebackenes Brot zum Frühstück. Rainer verweigert heute Morgen das Essen, ich glaube er hat einen kleinen Kater. Jetzt holen wir Bobby bei dem Spanier in derHütte ab, die Türe ist offen und wir gehen einfach rein. Bobby schlägt fast einen Salto, als er uns sieht. Der Mann liegt noch im Bett und meint, Bobby wäre total lieb gewesen und hätte nicht gebellt. Wir danken ihm nochmals für seine Freundlichkeit und verabschieden uns.
Da es recht kalt ist und nieselt, gehen wir warm angezogen los und erreichen nach kurzem Aufstieg das Cruz de Ferro (Eisenkreuz) auf 1.500 Meter. Wir legen auch einen Stein auf den riesigen Haufen am Fuß des Kreuzes und schießen einige Fotos. Dann geht’s weiter in der immer noch einmaligen Landschaft. Es folgt wohl das kleinste Dorf der Welt, Manjarin. Vor einer bunten, flippigen Herberge steht ein Ortsschild mit Namen, nach der Herberge wieder ein Schild, auf dem der Ortsname durchgestrichen ist. Später erfahren wir von einer Pilgerin, die in der Herberge übernachtet hat, dass es dort keinen Strom und kein fließendes Wasser gibt. Sie wird von zwei speziellen, lustigen Hospitaleros geführt. Es sei eine schöne Erfahrung für sie gewesen.
Wir nähern uns El Acebo, man sieht vom Berg oben auf das Dorf, das aussieht wie ein Bergdorf im Tessin. Die Dächer sind mit Schieferplatten bedeckt. Dort gibt es eine einladende Bar, wir sehen die Bocadillos der anderen Gäste und beschließen auch eines zu essen. Mit Spiegelei und mit Sardellen belegt schmeckt es sehr gut. Nach der Pause merken wir beim Weitergehen unsere Knie. Heute geht es über eintausend Höhenmeter nach unten, eine Höchstleistung für jedes Kniegelenk. Immer wieder sieht man Pilger, die rückwärts den Berg hinuntergehen, das ist schonender. Mitten in der Pampa stehen zwei Frauen und verkaufen Kirschen. Wir dürfen probieren und kaufen natürlich auch eine Tüte, eine willkommene Abwechslung. Unterwegs telefonieren wir mit unserem ältesten Sohn. Er fragt uns, ob wir die Schnauze noch nicht voll hätten, ob das nicht langweilig wird, jeden Tag zu laufen und wie esBobby geht. Ich erzähle ihm von einigen Begegnungen und von der tollen Landschaft durch die wir gerade gehen. An meinem überschwänglichen Erzählstil merkt er, dass wir nach wie vor noch Lust haben unseren Weg fortzusetzen. Er kann sich das jedenfalls nicht vorstellen. Vielleicht müsse er auch erst noch ein paar Jahre älter werden,
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