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Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Titel: Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Maclean
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sie stehen und traute ihren Augen kaum.
    In der Halle wimmelte es nur so von Männern. Männer, die Kisten, Karren und Kartons schleppten und sich alle um Jane scharten, die etwas erhöht auf einer Treppenstufe stand und formvollendet den Butler gab, durch nichts aus der Ruhe zu bringen war – schon gar nicht dadurch, dass halb Dunscroft sich auf Townsend Park eingefunden hatte.
    Isabel fand sich an Janes Seite ein. „Meine Herren, Ruhe bitte – und immer schön der Reihe nach!“, beschied ihre Butlerin.
    „Was ist denn hier los?“, fragte Isabel und sah Jane an.
    „Wurde auch Zeit, dass du kommst“, erwiderte Jane.
    „Wer sind diese Leute?“
    „Soweit ich es bislang überblicken kann“, sagte Jane und deutete auf die jeweiligen Männer, „bringt uns dieser Bursche drei Kisten Kerzen, weitere sind bestellt und werden nachgeliefert. Diese beiden sollen den Zaun an der westlichen Gemarkung ausbessern. Der junge Herr dort möchte das Klavier stimmen – ist dir aufgefallen, dass das alte Ding verstimmt war? Also mir nicht. Der Herr im dunklen Übermantel möchte mit dir die Wahl deiner Kutsche besprechen. Die dazugehörigen Pferde sollen sich bereits in den Stallungen befinden. Kate kann ihr Glück kaum fassen, wie du dir vorstellen kannst. Er hier bringt uns Wein, fassweise. Die beiden Frauen, die da so verschüchtert in der Ecke stehen, sollen uns mit neuer Garderobe ausstatten. Der Herr mit der Brille ist von der Bank und wünscht eine Audienz bei der ‚Dame des Hauses‘. Die kräftigen Kerle, die drüben bei Rock stehen, sollen an den Grenzen des Anwesens Wache schieben, und …“ Sie reckte sich auf die Zehenspitzen. „Da hinten wartet ein halbes Dutzend Dachdecker nur darauf, sich an die Arbeit zu machen.“
    Entgeistert ließ Isabel ihren Blick über die bunte Schar schweifen. „Aber was soll das bedeuten?“
    „Sie da, Klavierstimmer!“, rief Jane. „Zum Ballsaal geht es da entlang.“ Dann wandte sie sich wieder an Isabel. „Sie behaupten, Lord Nicholas hätte sie geschickt.“
    Isabel brauchte einen Augenblick, bis sie Janes Worte begriff.
    „Alle?“
    „Vermutlich. Meiner Erfahrung nach tauchen Händler nicht einfach so auf und überhäufen einen kostenlos mit ihren Waren.“
    Stumm und überwältigt sah Isabel sich um. Dann wandte sie sich wieder an Jane und Lara. „Er hat mir Dachdecker geschickt.“
    Jane war gerade damit beschäftigt, den Mann mit den Weinfässern in die Küche zu dirigieren. „Sieht so aus, als hättest du einen Verrückten geheiratet“, sagte sie über die Schulter zu Isabel.
    Da musste sie lachen. „Er hat mir Dachdecker geschickt!“
    Es war das schönste Geschenk, das sie je bekommen hatte.
    Lara lächelte. „Er scheint zu wissen, wie er dich glücklich machen kann.“
    Schon drohten neuerliche Tränen.
    Isabel holte tief Luft, zwang sich ruhig zu bleiben. Stark zu sein. Sie strich ihre Röcke glatt und fragte Jane: „Was kann ich tun?“
    „Du könntest die Dachdecker an die Arbeit schicken.“
    Bei Einbruch der Dämmerung stand Isabel draußen auf der Freitreppe von Townsend Park und sah den letzten der Männer die lange Auffahrt hinab verschwinden. Sie hatten mehrere Stunden auf dem Dach gearbeitet und wollten gleich morgen wiederkommen und das für die größeren Reparaturen nötige Material mitbringen.
    Isabel ließ sich auf den breiten Steinstufen nieder, schlang die Arme um sich, wurde es am Abend doch recht frisch, und blickte in den Abendhimmel.
    Wenn nur alles anders gekommen wäre.
    Und sie nur mutiger gewesen wäre.
    Aber sie hatte solche Angst gehabt, dass ihre Beziehung zu Nick ein Abbild der Ehe ihrer Eltern werden würde. Dass sie wie ihre Mutter würde, wenn sie sich gestattete, ihn zu lieben – dass sie eines Tages hier in Yorkshire säße und sehnsüchtig auf die Rückkehr des geliebten Mannes wartete.
    Also hatte sie beschlossen, sich diese Liebe zu versagen. Dennoch saß sie nun hier und wartete verzweifelt darauf, dass er zu ihr zurückkehrte.
    Ironie des Schicksals: Sie hatte alles anders gemacht, damit es ihr nicht erginge wie ihrer Mutter, und nun war es doch genauso gekommen.
    Andererseits war Nick nicht wie ihr Vater.
    An nur einem Tag hatte er mehr für Townsend Park getan als ihr Vater in seinem ganzen Leben. Es waren nicht nur das Dach, der Zaun, die Kutsche. Es war die Umsicht, mit der er sich um alles sorgte. Um das Anwesen, die Mädchen. Er war kaum eine Woche da gewesen, und doch schien ihrer aller Wohlergehen ihm

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