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Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen

Titel: Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Maclean
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wartete Isabel, bis Mr Asperton der Schweiß auf der Stirn stand, und erst als seine Brust sich immer rascher hob und senkte, fand sie es an der Zeit einzugreifen.
    „Mr Asperton wollte gerade gehen“, sagte sie hilfsbereit. „Nicht wahr, Sir?“
    Er nickte hektisch, den Blick noch immer gebannt auf die Reitpeitsche gerichtet, mit der Kate nun langsame, bedrohliche Kreise zog. „Ja … ja, das wollte ich.“
    „Ich denke nicht, dass er uns noch einmal beehren wird. Nicht wahr, Sir?“
    Eine ganze Weile erwiderte er nichts. Erst als Kate den Lederriemen mit lautem Knall zu Boden sausen ließ, schreckte er aus seiner Erstarrung auf. Entschieden schüttelte er den Kopf. „Nein. Nein, das denke ich nicht.“
    Klirrend stieß Jane ihren Säbel auf den Marmorboden.
    Isabel senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „Sie denken es? Ich wollte meinen, dass Sie sich dessen gewiss wären, Sir.“
    Er räusperte sich. „Gewiss. Aber natürlich. Ja … oder ich meine, nein . Ich werde Sie nicht noch einmal beehren.“
    Isabel zeigte sich zufrieden. „Sehr schön. Sie finden allein hinaus?“ Sie zeigte zu der Tür, die von den drei Frauen flankiert wurde. „Leben Sie wohl, Mr Asperton.“
    Damit kehrte sie zurück ins Empfangszimmer, schloss die Tür hinter sich und gelangte gerade rechtzeitig ans Fenster, um zu sehen, wie der astlange Asperton die Treppen von Townsend Park hinunterstürzte, sich auf sein Pferd warf und davonritt, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.
    Sie sah es mit Freuden und atmete erleichtert auf.
    Erst dann gestattete sie sich Tränen.
    Ihr Vater hatte sie verwettet.
    Wieder einmal.
    Beim ersten Mal hatte es sie am meisten verletzt. Man sollte meinen, dass sie es mittlerweile gewohnt war, doch es schmerzte jedes Mal aufs Neue.
    Als hoffe sie wider besseres Wissen, dass es einmal anders sein könnte. Dass ihr Vater sich ändern würde und nicht länger der Lotterlord wäre.
    Dass er sie lieben und für sie sorgen würde.
    Dass irgend wer sie einmal lieben und sich um sie sorgen werde.
    Einen Augenblick erlaubte sie sich, an ihren Vater zu denken. Den luderhaften Lotterlord. Den Mann, der Frau und Kinder auf dem Land zurückgelassen hatte, um in London ein ausschweifendes Leben zu führen. Den nichts hatte kümmern können: weder der Tod seiner Frau noch die Flucht all seiner Dienstboten, die keinen Tag länger ohne Lohn hatten bleiben wollen, noch die unzähligen Briefe seiner Tochter, in denen sie ihn bat, nach Townsend Park zurückzukehren und den einst prächtigen Landsitz vor dem Verfall zu bewahren – wenn schon nicht um ihretwillen, dann doch wenigstens seinem Erben und Stammhalter zuliebe.
    Einmal war er tatsächlich zurückgekommen …
    Aber nein, daran wollte sie gar nicht erst denken.
    Ihr Vater. Der Mann, der ihre Mutter aller Lebensgeister beraubt hatte. Der ihren Bruder, damals kaum ein Jahr alt, um einen Vater gebracht hatte.
    Hätte er seine Familie nicht im Stich gelassen, wäre es Isabel erspart geblieben, die Verantwortung für Townsend Park zu übernehmen. Doch in Anbetracht der Umstände hatte sie sich der Herausforderung gestellt und ihr Möglichstes getan, Haus und Bewohner vor dem Schlimmsten zu bewahren. Das Anwesen war längst nicht mehr rentabel, konnte Bewohner und Pächter aber gerade noch so über Wasser halten, derweil ihr Vater sämtliche Einkünfte aus Vermögen und Ländereien mit seinem skandalösen Treiben durchbrachte.
    Es hatte immer genügend zu essen gegeben, und des Lotterlords verheerende Reputation hatte Besucher von Townsend Park ferngehalten, weshalb es Isabel – fernab der prüfenden Blicke des ton  – möglich gewesen war, in Haus und Gesinderäumen nach eigenem Gutdünken zu walten.
    Was sie jedoch nicht davon abhielt, sich bisweilen zu wünschen, alles wäre anders gekommen.
    Und sie wünschte sich, all das zu haben und zu sein, worauf Töchter eines Earls ein angeborenes Anrecht hatten. Sie wünschte, frei von allen Sorgen aufgewachsen zu sein, in der Gewissheit, dass ihr Stern eines Tages hell erstrahlen und sie nach allen Regeln der Kunst hofiert werde – von einem Mann, der sie um ihretwillen wollte, nicht weil er sie beim Glücksspiel gewonnen hatte.
    Sie wünschte sich, nicht so schrecklich allein zu sein.
    Nicht, dass Wünschen je etwas gebracht hätte.
    Als sie hörte, wie sich hinter ihr die Tür leise öffnete und wieder schloss, gab Isabel ein kurzes selbstironisches Lachen von sich und wischte sich die Tränen von den Wangen.

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