Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
Menge.
„Wenn man vom Teufel spricht“, meinte Nick und sah Rock vielsagend an. „Du willst wirklich zurück in die Türkei geschickt werden, was? Du legst es geradezu darauf an.“
Rock warf einen Blick über die Schulter und grinste. „Es wäre doch sehr rücksichtslos von mir gewesen, ihm dieses Spektakel vorzuenthalten.“
„Wie aufmerksam von dir“, erwiderte Nick trocken.
„Welch eine Ehre“, tönte es hörbar erheitert hinter ihm. „Nie hätte ich mir träumen lassen, auch nur in die Nähe unseres lukrativsten Londoner Lords zu gelangen!“
Nick brauchte gar nicht aufzublicken, um zu wissen, dass sein Zwillingsbruder, Gabriel St. John, Marquess of Ralston, sich an ihrem Tisch eingefunden hatte. Rock sprang erfreut auf und lud ihn ein, sich zu ihnen zu gesellen.
Sowie er sich gesetzt hatte, fuhr Ralston fort: „Hätte ich mir denken können, dass du hier bist …“, er legte eine dramatische Pause ein, „… und dich versteckst. Alter Feigling.“
„Ich habe eben zu ihm gesagt, dass er sich prächtig amüsieren und an Ihrem Malheur weiden würde, hätte man Sie zu Londons lukrativstem Lords gekürt“, sagte Rock und lachte treulos.
Gabriel lehnte sich zurück und grinste. „Allerdings, das würde er. Doch nun scheint dir das Lachen vergangen zu sein, Bruderherz. Warum nur?“
„Wahrscheinlich bist du hier, um dich an meiner misslichen Lage zu erfreuen“, knurrte Nick. „Hast du nichts Besseres zu tun? Warum bist du nicht zu Hause und erfreust dich an deiner frisch Angetrauten?“
„Nichts lieber als das“, erwiderte Gabriel, auf einmal ganz sanft. „Doch sie hat mich förmlich aus dem Haus gejagt, damit ich dich suche. Sie gibt am Donnerstag ein großes Dinner und hat euch beiden einen Platz reserviert. Der Gedanke, dass Lord Nicholas einsam und allein durch die Straßen streift und sich nach einer Ehefrau verzehrt, war ihr unerträglich.“
Rock grinste. „Genau das hätte er vermutlich getan.“
Nick überhörte diesen Einwurf geflissentlich. „Callie liest so einen Schund?“ Er hatte angenommen, seine Schwägerin wäre über derlei Dinge erhaben. Wenn sogar sie Perlen und Pelissen las, war alle Hoffnung verloren.
Gabriel beugte sich vertraulich vor. „Soll ich euch was verraten? Diese Woche haben wir es alle gelesen. Du hast dem Namen St. John endlich wieder einen Hauch von Respektabilität verliehen, Nick. Gut gemacht.“
Just in diesem Augenblick kam die dralle Blondine zurück und stellte frisch gefüllte Bierkrüge auf den Tisch. Überraschung schien in ihren Augen auf, wandelte sich zu Wohlgefallen, als ihr Blick von Nick zu Gabriel schweifte und wieder zurück. Zwillinge sah man nicht oft, weshalb die Brüder St. John stets alle Blicke auf sich zogen, wenn sie sich zusammen zeigten. Doch Nick war das Gegaffe langsam leid, und er wandte sich ab. Gabriel gab dem Mädchen ein großzügiges Trinkgeld und meinte: „Es ist nur verständlich, dass alle Frauen, die es auf mich abgesehen hatten, ganz außer sich sind, nun eine zweite Chance zu bekommen, wenn du verstehst, was ich meine. Einen Titel hast du zwar nicht zu bieten, aber zumindest mein gutes Aussehen – wenngleich in einer leicht abgeschwächten Version.“
Nick kniff die blauen Augen leicht zusammen und betrachtete seinen Bruder und seinen Freund, die ausgelassen lachten. Er hob seinen Bierkrug und prostete den beiden zu. „Zur Hölle mit euch.“
Sein Bruder prostete zurück. „Das wäre es mir wert, dich so in Bedrängnis zu sehen. Weißt du was, Nick? Es ist nicht das Schlechteste, als begehrenswerter Junggeselle zu gelten. Ich kann dir versichern, dass die Ehe keineswegs das Gefängnis ist, für das ich sie immer gehalten habe. Es ist sogar sehr schön, verheiratet zu sein.“
Nick lehnte sich zurück. „Callie hat dich milde werden lassen, Gabriel. Erinnerst du dich noch an die zudringlichen Mütter und ihre reizenden Töchter, die deine Aufmerksamkeit erheischen wollten?“
„Halb so wild“, winkte sein Bruder ab.
„Wahrscheinlich, weil Callie die Einzige war, die sich nicht von deiner Reputation hat abschrecken lassen“, meinte Nick. „Mein Ruf ist weit weniger ruiniert als deiner damals, weshalb ich auch – leider Gottes – als der bessere Fang gelte.“
„Danke für die Aufklärung. Ich wollte nur sagen, dass die Ehe dir guttun könnte.“
Nick versenkte sich eine Weile in die Betrachtung seines Biers, ehe er erklärte: „Wir sind uns wohl darin einig, dass die Ehe nichts für
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