Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
verhüllte das Sternenlicht. Regungslos streckten die hohen Bäume ihre dichtbelaubten Zweige aus und deckten mit undurchdringlicher Finsternis die Rasenplätze, die sich zwischen ihnen auf dem Hügel hinbreiteten, wo Ell seine Warte erbaut hatte. Es war schon spät, und nur aus der hohen geöffneten Tür, die von Ells Arbeitszimmer nach der weinumlaubten Veranda führte, schimmerte noch Licht. Von dort ging eine Freitreppe in den Garten. Ell war an seinem Schreibtisch mit einer Arbeit beschäftigt, die er schon seit Jahren betrieb, einer Darstellung der Verhältnisse der Marsbewohner und einer Anleitung, ihre Sprache zu erlernen. Er wollte diese Bücher in dem Augenblick veröffentlichen, in welchem die ersten Martier mit den Menschen zusammenträfen.
In seine Arbeit vertieft, vernahm er nicht, daß langsame Schritte über den Kiesweg des Gartens sich nahten, daß jemand die Treppe der Veranda erstieg. Erst als der Tritt auf der Veranda selbst erklang, drehte er sich um. In der Tür stand die Gestalt eines Mannes.
»Wie kommen Sie in den verschlossenen Garten?« fuhr Ell auf, indem er nach der Waffe auf seinem Schreibtisch griff.
Seine vom Licht des Arbeitstisches geblendeten Augen konnten nicht sogleich erkennen, wen er vor sich habe.
»Ich bin es!« sagte eine ihm wohlbekannte Stimme.
Ell zuckte zusammen und sprang empor. Er faßte mit den Händen nach seinem Kopf.
»Eine Halluzination«, war sein Gedanke.
Die Gestalt trat näher. Ell wich zurück.
»Ich bin es wirklich, Herr Doktor, es ist Karl Grunthe.«
»Grunthe!« rief Ell. »Ist es möglich? Wo kommen Sie her?«
»Direkt vom Nordpol, den ich heute gegen Mittag verließ.«
Ell hatte ihm die Hände entgegengestreckt. Bei diesen Worten trat er wieder zurück.
»Ich will Ihnen etwas sagen, Grunthe«, begann er. »Ich bin bei der Arbeit eingeschlafen, ich träume – Sie können es ja nicht sein. Das sehen Sie doch ein. Das Tor ist ja auch verschlossen, Sie können nicht über die Mauer klettern.«
Grunthe trat jetzt auf ihn zu. Er schüttelte ihm die Hände. »Glauben Sie’s!« sagte er. »Sie träumen nicht, Sie wachen. Es ist, wie ich sage. Erlauben Sie mir ein Glas Wasser, richtiges, frisches Quellwasser, das habe ich vermißt. Hier, trinken Sie auch. Kommen Sie, setzen Sie sich. Ich will Ihnen alles erklären. Aber so schnell geht das nicht.«
Ell faßte Grunthe an den Schultern und schüttelte ihn. Er lachte. Dann setzte er sich und starrte Grunthe noch einmal an.
Grunthe zog seine Uhr und verglich sie mit dem Chronometer in Ells Zimmer.
»Keine Abweichung«, sagte er.
»Sie sind es doch, Grunthe!« rief Ell. »Jetzt glaube ich es. Verzeihen Sie, aber nun bin ich wieder klar. Um Gottes willen, sprechen Sie, schnell! Wo ist Torm?«
»Torm ist nicht zurückgekehrt«, sagte Grunthe langsam, indem sich die Falte zwischen seinen Augen vertiefte.
Ell sprang wieder auf.
»Er ist verunglückt?«
»Ja.«
»Tot?«
»Wahrscheinlich. Der Ballon wurde in die Höhe gerissen. Wir verloren das Bewußtsein. Als wir wieder zu uns kamen, war Torm verschwunden. Er ist bis jetzt nicht wiedergefunden worden.«
»Bis jetzt? Das heißt, Sie haben noch eine Hoffnung?«
»Auch der Fallschirm fehlte, es ist möglich, daß er sich damit gerettet hat – aber sehr unwahrscheinlich. Wohin sollte er gekommen sein?«
Ell trat an die Tür und starrte in die Nacht, wortlos – dann drehte er sich plötzlich um.
»Und Sie, Grunthe?« rief er. »Und Saltner?«
»Wir wurden von den Bewohnern der Polinsel gerettet. Mich brachten sie hierher in einem Luftschiff. Saltner ist noch am Pol, er reist morgen auf den Mars. Da sind seine Briefe, da sein Tagebuch.« Er legte zwei Päckchen auf den Tisch.
»So sind sie da?« fragte Ell fast jubelnd.
»Sie sind da. Wir haben Ihren Sprachführer gefunden. Und wenn Sie sich gefaßt haben, so kommen Sie mit mir. Ich bin nicht allein, meine Begleiter sind hier.«
»Wo? Wo?«
»Auf dem mittleren Rasenplatz neben dem Sommerhäuschen liegt das Luftschiff. Man erwartet Sie!«
Ell wollte hinausstürzen. Die Füße versagten ihm. Er setzte sich wieder.
»Ich kann noch nicht. Bitte, erzählen Sie mir erst noch etwas. Dort steht Wein, geben Sie mir ein Glas!«
Grunthe holte den Wein. Dann schilderte er kurz ihr Schicksal am Pol, die Aufnahme bei den Martiern, die Station des Ringes. Allmählich wurde Ell ruhiger.
Er holte eine Laterne.
»Gehen wir!« sagte er.
Grunthe nahm die Laterne. Sie durchschnitten die dunkeln Gänge des
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