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Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Titel: Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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als Ell mit fieberhaft leuchtenden Augen wieder eintrat.
    »Sind sie schon fort?« fragte Grunthe, sich erhebend.
    »Noch nicht.«
    »Aber es wird bald hell.«
    »Ill bleibt noch bis zur Nacht. Ich soll ihn begleiten, er will über die Hauptstädte Europas einen Überblick gewinnen. Aber ich kann heute früh noch nicht fort. In der Sache ist es eigentlich nicht recht zu zögern, aber ich kann nicht.«
    »Sie dürfen freilich jetzt nicht fort. Wir müssen die Resultate der Expedition bekanntmachen. Sie sind dabei unentbehrlich.«
    »Wir haben uns schon geeinigt. Ich will nur eben Anordnung treffen, daß heute niemand im Garten zugelassen wird. Auf den alten Schmidt können wir vertrauen, er wird die Tür geschlossen halten und wie ein Cerberus wachen. Mein Oheim ist mit dem Ruhetag einverstanden, den die Mannschaft wie er selbst nötig hat. Jetzt will er mir nur einmal die Leistungsfähigkeit des Luftschiffs bei größter Geschwindigkeit zeigen. Die Luft ist ganz still. Wir wollen uns Wien betrachten. In einer Stunde, noch vor Sonnenaufgang, sind wir zurück. Wir fahren jetzt nach Osten, über Wien wird es schon hell genug sein. Kommen Sie mit, wir können die Zeit zum Erzählen benutzen. Nachher frühstücken wir zusammen.«
    Er sprach in großer Aufregung und suchte dabei nach seinem Mantel.
    »Sie brauchen weiter nichts mitzunehmen«, sagte Grunthe. »Pelze sind im Schiff. Instruieren Sie nur Schmidt, daß er niemand einläßt. Ich aber will lieber hierbleiben.«
    Ell weckte den Kastellan. Es dürfe niemand in den Garten. Auch die Sternwarte bleibe heute geschlossen. In besonderen Fällen oder wenn Bekannte kämen, solle man ihn selbst rufen. Er verlasse sich auf sein unbedingtes Schweigen über alles, was er etwa Außergewöhnliches sehe.
    Der alte Mann, der schon seinem Vater gedient hatte und mit Ell nach Deutschland gekommen war, versprach sein Bestes. Seine Frau, welche auch die häusliche Bedienung für Ell führte, kam niemals über ihr eigenes kleines Gemüsegärtchen, das außerhalb der Gartenmauer lag, hinaus. Von ihr war keine Störung zu befürchten.
    Ell begab sich nach dem Rasenplatz. Das Luftschiff war zur Abfahrt bereit. Die Lichter wurden gelöscht. Geräuschlos hob es sich senkrecht in die Höhe. Die Stadt lag im Schlummer, niemand bemerkte den dunkeln Körper, der in wenigen Augenblicken in der Dämmerung entschwunden war.
    Ell saß stumm in seinen Pelz gehüllt und blickte durch die Robscheiben dem schnell emporsteigenden Frührot entgegen.
    »Ein neuer Tag«, sagte er leise, »wirklich ein Tag! Ich fliege! O heiliger Nu!«
    Aber sie, Isma, was würde sie sagen? Er vergaß seine Umgebung. Das Herz krampfte sich ihm schmerzhaft zusammen. Wie sollte er ihr das Schreckliche mitteilen? Da ihm alles geglückt, da seine höchste Sehnsucht erfüllt, seine Heimat wiedergefunden war, da sollte ihr das Lebensglück entrissen werden? Er suchte sich in ihre Seele zu versetzen und vermochte es nicht. Er trauerte um den Freund, und inniges Mitgefühl mit der Freundin drängte die Tränen in sein Auge. Er sah sie die schmalen Hände ringen, er sah, wie ihre großen dunkelblauen Augen starr wurden. Er hätte sein Leben dafür gegeben, diesen Schmerz ihr abzunehmen, ihr den Verlorenen zu retten und wiederzubringen. Es war aussichtslos. Was vermochte er für sie zu tun? Und in allem Schmerz konnte er es nicht hindern, daß es wie eine leise Hoffnung ihn durchzog, ob es ihm nicht möglich sei, ihr das entschwundene Glück zu ersetzen. Er drängte den Gedanken zurück. Er dachte an seine nahen, großen Aufgaben. Aber die nächste war ja doch – sie zu benachrichtigen.
    Eine Frage Ills riß ihn aus seinen Grübeleien.
    Zur Rechten erglänzte die Kette der Alpen im Licht der aufgehenden Sonne. Das Luftschiff breitete seine Schwingen aus und umkreiste, sich tiefer senkend, in weitem Bogen die Kaiserstadt an der Donau. Drei-, viermal strich es bis dicht über den Spitzen der Türme hin, dann erhob es sich wieder und floh vor den Strahlen der Morgensonne nach Nordwesten. Es erreichte Friedau, noch bevor der erste Sonnenstrahl die Kuppel der Sternwarte, des höchsten Punktes der Umgebung, vergoldete, und ließ sich langsam auf den Rasenplatz nieder.
    Einige Arbeiter, die aufs Feld gingen, liefen herzu, aber da sie das Schiff hinter den Bäumen des Gartens verschwinden sahen, setzten sie ihren Weg wieder fort. Sie waren gewohnt, die Übungsballons der Luftschiffer bei Friedau aufsteigen zu sehen, und wunderten sich daher

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