AUFBRECHEN! - Warum Wir Eine Exzellenzgesellschaft Werden Muessen
überbesiedeltes Land, in dem der Ackerbau kaum das Leben erhält. Da beginnen sie sich zu bekämpfen und billig aufzukaufen (»Du bekommst drei Monate Lebensunterhalt, wenn du mir deinen Acker gibst – da kannst du dir mit dieser Abfindung leicht einen neuen Job suchen«). Die Verlierer sitzen auf der Straße, einige werden reich und stellen andere zu Hungerlöhnen ein, die selbst früher Bauern waren (»ausgegründet in eine Niedriglohngesellschaft«).
In meinem Buch Abschied vom Homo Oeconomicus habe ich dieses Phänomen wechselnder Organisations- und Denkformen unter dem Schlagwort »Phasic Instinct« ausführlich beschrieben und diskutiert. Wenn sich eine neue Welt öffnet – wie die Besiedlung eines neuen Landes –, dann bilden sich breite Mittelschichten und ein Bürgertum. Wenn die Welt zu eng wird, setzt ein Verdrängungswettbewerb ein, und infolgedessen verabschieden sich die Menschen von Ethik und Werten und glauben, dass Darwin die Welt erschaffen hat.
Wenn eine neue Welt entsteht, bilden sich ihre Infrastrukturen und neuen Traditionen und Werte. Wenn sie überfüllt ist, lösen sich die Strukturen im Niedergang auf. Menschen kämpfen, werden unfair, nutzen den Staat aus, ruinieren die Umwelt oder die Welt im weitesten Sinne. Jeder sieht zu, wo er bleibt. Was Menschen also über die Welt denken und somit für ihre Wertvorstellung halten, ist in Wirklichkeit nur ein Ausblühen der Wirtschaftslage in ihren Gefühlen und inneren Instinkten. Das Denken oder der Geist also, die wir als vornehmste Funktion verehren, rationalisieren eigentlich nur die »Kriegs- oder Friedenslage« da draußen.
Das erkennen wir nicht wirklich, weil die Phasen der Prosperität und des Niedergangs oft so zwanzig, dreißig Jahre lang dauern. Wir halten die Umschwünge eventuell ohne große Gedanken für ein »Generationenproblem«.
Aber etwas ganz anderes ist der Fall: Wir leben heute an der Schwelle eines signifikanten Umschwungs. Eine alte Welt (die jetzige) neigt sich dem Ende zu. Wie der primäre Sektor (Landwirtschaft) und der sekundäre Wirtschaftssektor (Industrie) wird nun auch der tertiäre Dienstleistungssektor automatisiert und braucht nur noch wenige Arbeitskräfte. Hier herrscht nun für Jahre der »mörderische« Verdrängungswettbewerb, wie ich gleich zeigen will.
Auf der anderen Seite öffnet sich ein neues, von mir später im Buch vorgestelltes gelobtes Land des Wissens und der Forschung, wo so viel zu tun ist, dass sich jeder sein Stück Land abstecken und ein gutes Leben gründen kann.
Der »Niedergang« (im Sinne der Arbeit für Menschen) des tertiären Sektors macht uns dort zu zunehmend gestressteren Menschen. Die Löhne für Dienstleistungen sinken, viele werden mehr als einen Job zum Leben brauchen. Das zeichnet sich heute schon deutlich in den USA ab. Die Armut unter den Menschen, die Dienstleistungen anbieten, nimmt zu. Auf der anderen Seite eröffnet sich ihnen die neue Welt des quartären Wissenssektors. Ingenieure auf den Gebieten neuer Technologien werden verzweifelt gesucht. Dort tobt der Krieg um die besten Talente (»War of Talents«). Innovative Firmen wie Google stocken immer noch ihr Personal auf und bieten traumhafte Arbeitsbedingungen, die die Kreativität anregen sollen.
Da, wo der Kampf der Reinigungsfirmen und Briefträger um die letzten Arbeitsplätze stattfindet, fordern alle Leute gesetzliche Mindestlöhne zum Überleben. Sie fühlen sich wie Sklaven ausgebeutet von Managementfirmen, die sie immer effizienter einsetzen, arbeitsmäßig überlasten und überfordern. Da, wo Neues entsteht, fühlt man dagegen den Frühling des Aufbruchs.
Wollen wir nicht alle in die Wissensgesellschaft aufbrechen? Alle Abitur machen und studieren? Wieder mit Feuereifer arbeiten, was sich wie »Spaß haben« anfühlt?
Dann müssen wir unsere Kultur verändern.
Der Mensch ist kein billiger Zeitarbeiter mehr, der zur Arbeit gezwungen werden muss und der für ein bisschen mehr Lohn woanders aus normaler Not heraus sofort die Firma wechselt. Der Mensch ist jetzt ein wichtiger Rohstoff für die Wissensgesellschaft, der sorgsam herangezogen und entwickelt werden muss.
Landarbeiter wurden angelernt oder sahen dem Vater zu, Handwerker hatten Gesellen. Die Fabriken bildeten Arbeiter aus, Servicefirmen trainierten die Mitarbeiter für ihre Dienstleistung (Callcenter, Reisebüro, Versicherung). Die Wissensgesellschaft der »Ingenieure« verlangt aber einen Menschen, der sich lebenslang von selbst in eigener
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