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Aufbruch - Roman

Aufbruch - Roman

Titel: Aufbruch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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denn?« Ich kannte diesen Tonfall; seinen Ärger, wenn etwas nicht so war, wie er es wollte. Dann klang seine Stimme wie die eines nörgelnden Kindes.
    »Seit … - ach was. Wir passen einfach nicht zusammen!« Es war heraus. Ich fühlte eine Leichtigkeit, ein Schweben wie vor Zeiten nach drei, vier Gläschen spiritus verde, Escorial Grün, wenn die Wörter sich einfach über die Lippen drängten, egal, welche. »Es geht nicht!«
    Godehard packte meine Hand. Seine Fingernägel taten mir weh.
    »Au!« Ich verschränkte die Hände in meinem Schoß.
    »Zu alt? Es geht nicht? Warum?«
    Ich stand auf. »Da«, sagte ich. »Der Ring«. Drückte ihm das Kästchen in die Hand und rannte. Der Kindheit noch nah genug, um sorglos und unerschrocken Nein sagen zu können. Und Ja zu meiner eigenen Geschichte.
    Aber es tat weh. Nicht die schadenfrohen Blicke der Dondorfer, als ich wieder allein durchs Dorf ging. Nicht der unbeholfene Trost der Tante: »Dä wor doch och nix för desch. Nix wie sing Steen im Kopp.« Nicht die Verdammnis der Großmutter, die ihn, was die Kirche anging, als Laumann durchschaute. Im Holzstall saß ich und heulte, um mich, um Godehard, Mitleid und Selbstmitleid, wenn ich hörte, wie sein Wagen hielt in der Altstraße 2, dem Loch, wie die Wagentür schlug, gleich würde er klingeln, ich horchte, da war sie, die Stimme der Mutter - »Sag ihm, ich sei nicht da« - in schrillem Triumph: »Nä, dat Hilla is nit da. Nä, dat Hilla muss lernen. Nä, dat Hilla bleibt ze Haus.« Hörte zitternden Herzens, wie sie dem Mann die Tür vor der Nase zuschlug. Als er nicht mehr kam, war ich traurig und froh zugleich. Zu Hause wurde nicht mehr von ihm gesprochen, wie von einem Fehltritt.
     
    »Zu verschieden«, versuchte ich eine Antwort auf Bertrams Frage nach meinem Kummer. »Die Steine, meine ich. Zu verschieden. Buchstein, Wutstein, Lachstein - Smaragd, Rubin, Diamant: Das geht nicht zusammen.«

    »Ach, was«, schnitt der Bruder mir das Wort ab, »bei dem Sigismund wär dir das doch ganz egal gewesen.«
    Er hatte recht. Den wahren Grund verschwieg ich auch ihm. Loch. Das hätte cand. rer. nat. Godehard van Keuken nicht sagen dürfen.

    Alle machten Reisepläne. Die Sommerferien standen vor der Tür. Alle, sogar Astrid. Sie würde ein Zeltlager der Gewerkschaftsjugend in Rottenburg betreuen. Monika flog zu einem Sprachkurs nach Cornwall. Ob ich nicht mitkommen wolle, da ich doch wieder solo sei. Ich hatte sie glauben machen, Godehard habe mich sitzen lassen. Das war ich ihm schuldig. Seither hielt sie mich für eine bemitleidenswerte Niete. »Dass du den nicht binden konntest«, musterte sie mich, von der blauen Bluse bis zu den braunen Halbschuhen. Ihr, gab mir dieser Blick zu verstehen, wäre das nicht passiert. So kurz vor der Reise nach Rom! Ob ich stattdessen nicht mit ihr kommen wolle. So teuer sei es ja nicht, die Unterkunft zahle ihre Mutter für mich mit, blieben nur Flug und Kursgebühren. Und ob ich wollte. So tief, dass sie mich wieder links liegen ließ, war ich also nach meiner Liebespleite in ihren Augen noch nicht gesunken. Aber das Geld. In der Zeit mit Godehard war mir das Leben zuweilen wie ein einziger Lottogewinn erschienen. Jetzt schob sich das Geld wieder zwischen mich und meine Wünsche. Ich hatte keins.
    »Ja, also«, zögerte ich.
    »Hör mal, wenn du nicht willst«, missdeutete Monika meine schwere Zunge, »frag ich jemand an …«
    »Nein! Nein! Nein! Wann soll es denn losgehen?«
    »Schön«, Monika drückte flüchtig meinen Arm, »freut mich, wirklich. Wann? Weiß ich nicht. Ist das denn so wichtig? In den Sommerferien eben. Ich sag dir morgen Bescheid.«

    Und ob das wichtig war. Mitfahren konnte ich nur, wenn ich vorher Geld verdiente. Wie viel brauchte ich wohl? Wieso hatte ich nicht danach gefragt? Drei Wochen Maternus konnten knapp dreihundertfünfzig Mark bringen.
    Ich grübelte im Bus von Riesdorf nach Rheinheim, in der Bahn von Rheinheim nach Dondorf, grübelte noch immer, als das Gartentor hinter mir ins Schloss fiel. Was sollte ich tun, wenn das Geld nicht reichte?
     
    Bertram saß schon am Küchentisch. Donnerstags gab es Bratwurst.
    »Deine Teller steht im Ofen«, die Mutter, eben noch wohlwollenden Blicks Bertrams Appetit genießend, ließ uns allein.
    »Was ist los?«, fragte Bertram, als ich sein frisches »amo, amas, amat« kaum erwiderte
    »Einen Geldstein müsste man haben«, seufzte ich, stocherte in den Möhrenscheiben, spießte die labbrige Wurst auf die Gabel, biss

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